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    Integrative Breite gewinnt in Krisenzeiten – Psychoanalyse meets INTAKA

    „A border can‘t neither stop a virus, nor a good idea!
    (Gerhard Gigler)

     

    Dass eine Grenze keinen Virus aufhalten kann, das erleben wir gerade hautnah.

    Gute Ideen sind jedoch ebenso ansteckend und lassen sich durch nichts aufhalten, wenn du authentisch bist – und die tiefe Form von Authentizität schließt das Unbewusste mit ein, das wird oft nicht verstanden.

    In den Gesprächen zwischen dem brasilianischen Autor und Psychoanalytiker, René Schubert, und dem INTAKA-Akademieleiter, Gerhard Gigler, findet immer wieder ein kreativer authentischer Ideenaustausch statt, der zudem Kulturen verbindet.

     

    Gerhard Gigler knüpft mit INTAKA seit langem ein feines Netz zwischen Lateinamerika und Deutschland und erweitert das Berufsbild Coaching und die Beratungstätigkeit mit zukunftsweisenden Formaten, dazu gehören die eigene Entwicklung NSC®, das NeuroSystemische Coaching und auch Wingwave-Coaching, Hypno-Coaching, EMDR und Systemische Aufstellungsarbeit – dabei insbesondere die Systemische Organisationsaufstellungen.

    René Schubert betrachtet die psychologische Szene einerseits aus seiner Perspektive als renommierter brasilianischer Psychoanalytiker, andererseits als Psychotherapeut und Analytiker, der auch die systemische Aufstellungsarbeit und andere Ansätze in seine Praxis integriert. Der Dialog zwischen René und Gerhard betrachtet von daher die Integrative Breite der derzeitigen Szenerie.

    René Schubert:

    Gerhard, als Psychoanalytiker ist es mir wichtig die Erkenntnisse einer fundierten analytischen Psychologie mit neuen Formaten zu verbinden, die lösungsorientiert sind. Inwieweit haben deine Entwicklungen z.B. NSC®, das NeuroSystemische Coaching oder dein eigener hypnotherapeutischer Ansatz dies deiner Meinung nach im Blick?

    Gerhard Gigler:

    Das ist eine sehr umfassende Frage und bräuchte wohl eine kleine Doktorarbeit. Psychoanalyse ist für mich schon immer das Fundament gewesen und ich habe in meinem 1.Studium mit ca. 20 Jahren sowohl Freud, als auch C.G. Jung geradezu verschlungen.

    Die archetypische Sichtweise auf psychologische Muster war mir als späterer Mythenforscher und Religionspsychologe sozusagen damals schon in die psychologische Wiege gelegt. Meine Ex-Ehe mit einer Psychoanalytikerin war – neben einer „ganz normalen jungen Liebesbeziehung – gewissermaßen gleichzeitig eine zusätzliche Ausbildung innerhalb des privaten Alltagsgeschehens und der ganzen persönlichen Beziehungsmuster 🙂!

    Die nächtelangen Gespräche wanderten durch den Theoriewald Freuds und der wundersamen und archetypisch-relevanten Tiefe von C.G. Jung. Wie gut, dass mir die Trennung von privaten und beruflichen Zusammenhängen im weiteren Verlauf meines Lebens sehr wichtig wurde und gut gelungen ist, wie ich meine.

    Das Systemische Hexagon® trennt gerade auch die zwei Bereiche „Work“ und „Private“ und auch mein Background als Unternehmersohn hat mir gezeigt, wie wichtig diese Entmischung ist. So gibt es immer wieder biografische Wurzeln eines sachlich erscheinenden Theoriegebildes.

    Was ich damit sagen will: in all dem, was meine integrative Arbeit ausmacht, steckt die zutiefst

    Systemische Idee von Trennung und Unterscheidung und auch von Verbindung und Integration. Diese zwei Aspekte sind für die Wahrnehmung enorm bedeutsam und fließen in alle meine Arbeiten ein.

    Welche Bedeutung siehst du denn in der Verknüpfung von Psychoanalyse und Systemischer Aufstellungsarbeit? Es ist ja auch eine ungewöhnliche Kombination.

    Und wie siehst du die Wirkungen für dich, nach langer Arbeit mit der Psychoanalyse, wenn du diese mit Coaching und verschiedenen anderen Methoden verknüpfst? Was hat es für dich und für deine Klient/innen als Lösungen oder Möglichkeiten gebracht?

     

    René Schubert:

    Für mich war es spannend und zudem etwas schwierig am Anfang in der Haltung des Psychoanalytikers und zugleich in die Haltung des Systemischen Aufstellers zu gehen. Also, habe ich deshalb auch verschiedene Räume, in meiner Praxis und halte die Anker rein – wie du es als NLP´ler ausdrücken würdest. Hinter den verschiedenen Haltungen stecken ja auch verschiedene Theorien, die man zwar verknüpfen kann, die jedoch auch sehr spezifische Unterschiede haben. Als ich in deinem Kurs, lieber Gerhard, in São Pedro bei Saõ Paolo war, fand ich es einfach fantastisch wie du die verschiedenen Haltungen, Theorien, Methoden und Verfahrensweisen in deiner eigenen integrativen Art zusammengebracht hast.

    Kannst du denn ein bissen von dieser Erfahrung, also von deinem “know how” sprechen – denn das hat mich fasziniert?

     

    Gerhard Gigler:

    Das ist natürlich auch eine sehr umfassende Anfrage. Ich habe ja mittlerweile fast genau 5000 Stunden Zusatzausbildungen in allen unterschiedlichen Verfahrensweisen gemacht, weil ich vieles so spannend und hilfreich fand und immer noch finde. Die Integration der unterschiedlichen Verfahrensweisen ist für mich das Reizvolle und irgendwann fängt man an zu jonglieren mit den vielen Methoden und kreiert immer wieder neue Formationen in jeder Sitzung.

    Und dennoch glaube ich, dass es letztendlich immer wieder um die Grundhaltung der Neugierde geht und des Interesses bzgl. des Lebens, der Entwicklungsprozesse und der Liebe zu sich und anderen. In dieser Wechselwirkung zwischen mir und anderen formiert sich Wachstum. Es ist immer ein dialogischer Prozess und deshalb finde ich es auch ganz ungünstig zu sagen, dass man sich zuerst selber lieben muss – obwohl ich die Absicht dieser Idee würdigen kann und verstehe. Für mich ist es aber wie die Frage nach „Henne und Ei“: beides gehört zusammen und ist ein interdependenter dialogischer Prozess, weder ein „entweder – oder“, noch eine Reihenfolge dürfen daran geknüpft werden. Liebe ist die Energie menschlicher Entwicklungsprozesse und bleibt immer Dialog zwischen Ich und Du und Du und Ich, der keine Reihenfolge in Systemen kennt.

    Verstehst du, was ich meine?

     

    René Schubert:

    Das verstehe ich sehr gut und vielleicht wird das, was du meinst, sogar in unserer Zeit noch deutlicher. Jetzt sind wir in einer Phase der Distanz. Menschen müssen umdenken und neue Muster ausprobieren. Die alten Muster greifen nicht mehr. Und auch dem Selbstoptimierungswahn nach dem üblichen Denken wird eine Grenze gesetzt. Ich glaube es ist auch die Zeit, um genau diese Wechselwirkung von Ich und Du und Du und Ich, also dieses dialogische Prinzip, nochmals genauer wahrzunehmen. Es ist gut zu sehen, dass man sich selber schützt, um andere zu schützen und man andere schützt, um sich zu schützen. Vielleicht fängt ein neues dialogisches Zeitalter erst an – diese Hoffnung habe ich zumindest.

    Und auch wir Therapeuten und Coaches machen ja unsere therapeutischen Sessions in Distanz, aber mit virtuellen Werkzeugen. Und du Gerhard hast vor kurzem einen Kurs geleitet, indem du NSC® und andere therapeutische Möglichkeiten Online vermittelt hast. Hier in Brasilien passiert das auch. Meine Frage an dich ist, wie weit kann eine therapeutische Arbeit per Online deiner Meinung nach funktionieren? Welche Tiefe kann in einer Online Arbeit entstehen?

    Ich finde deine Arbeit, die Art wie du lehrst, und das was du mit NSC® entwickelt hast, superkreativ, echt richtig stark und effektiv und zudem sehr lösungsfokussiert und sehr leicht. Als dein Übersetzer in Brasilien weißt du auch, wie ich meinen Körper, meine Stimme und auch meine Bewegungen nutze, um deine Worte zu deuten und verständlich zu machen. Wie siehst du diesen Punkt in unseren virtuellen Zeiten? Unser Körper und viel Ausdrucksstarkes fehlt ja – genau das macht aber doch deinen Trainerstil aus. Vieles kann man leider per Video oder Online, nicht so gut merken, fühlen oder in unserem Klientensystem nicht so gut lesen. Wie arbeitest du heute mit dieser sensorischen Komponente in der Kommunikation in diesen unseren virtuellen Zeiten? Was sind die Ressourcen für uns im virtuellen Kontext jetzt, anstelle der körperlichen Präsenz, in der Therapie, in der Beratung, im Coaching?

     

    Gerhard Gigler:

    Ich glaube es ist gerade jetzt unsere Zeit. Mit unserer Zeit meine ich, die Zeit derer, die ja schon längst mit vielen anderen Energien zu tun haben und arbeiten – gerade auch die Zeit für uns Systemiker, aber auch für all diese integrativen Verfahrensweisen. Und diese integrative Breite meint ja eben schon immer diese tiefere Dimension. Wir sprechen von morphischen Feldern, vom Gruppen-Unbewussten, von Quantenenergie, vom Lesen zwischen den Zeilen sozusagen, also das Lesen der anderen Dimension ist gemeint, nicht dessen, was man an den Buchstaben sieht, sondern eben dazwischen. Wer hier immer noch alten Beliefs nachhängt und diese auf den Sockel stellt, wird irgendwann genau diese fallen sehen. Ich glaube neue Beliefs werden sich mehr und mehr breit machen.

    In dem von dir angesprochenen Kurs haben wir z.B. erlebt, wie Gefühle einer anderen Person oder des jeweiligen Systems gespürt und erlebt werden, obwohl wir teilweise sogar tausende von Kilometern entfernt waren, obwohl sogar 100 Menschen gleichzeitig an einem Fall gearbeitet haben und die sich zudem nicht mal gesehen hatten. Und dennoch: Wahrnehmung funktioniert und wir sind eng verbunden und bewegen uns in einem Feld, das jetzt mehr und mehr sichtbar und erfahrbar wird – gerade durch diese Distanz. Es ist auch für mich immer wieder faszinierend und fast unglaublich, aber ich erlebe es seit Jahrzehnten immer wieder und jetzt wird dieses Phänomen geradezu pointiert.

    Was sind deine Gedanken dazu in dieser Zeit der Krise, René?

     

    René Schubert:

    Ja, ich sehe da auch jetzt etwas Symbolisches, etwas, das an die Grenze von Metapher und Realität geht. Das was da gerade passiert braucht Erklärungen an dieser Grenze. Denn einerseits ist das Ganze etwas Reelles, das uns begegnet und uns zutiefst beeinflusst, in unserem Alltag, ökonomisch, ökologisch und sozial, also unsere Sinnsysteme und unsere Sozialen Systeme, sowohl auf der privaten Seite, wie auch auf der Arbeitsseite. Auf der anderen Seite erleben wir auch, dass wir uns gewissermaßen in einer Metaphernwelt befinden. Die „Metapher vom Lockdown“, vom Zurückgeworfensein ins nicht „wie üblich funktionieren können“, vom Abschalten der normalen

    Bewegungen und Zustände, der normalen Abläufe. Wir werden sozusagen in eine andere Welt gekickt. Diese Aspekte erleben wir zutiefst als Metapher für unser Leben und umso wichtiger ist es gut damit umzugehen, so, dass wir diese Metapher nutzen können. So ungefähr habe ich dich auch einmal verstanden, als wir darüber gesprochen hatten.

    Dein Systemisches Hexagon zeigt ganz klar, unsere Bühnen auf denen unser Leben spielt.

    Professionelle Bühnen, Private, individuelle und kollektive Systembühnen. Wenn wir verstehen, wie man diese vermischen kann – günstig oder ungünstig – verstehen wir auch, wie wir diese wieder entmischen können. Und das bringt uns gerade auch jetzt weiter. Gerade jetzt in dieser Krise brauchen wir diese Art von neuer Integration der verschiedenen Systembühnen, sonst verstehen wir die Welt nicht mehr: Sinn und Interaktion muss zusammengehen, das Organisationelle ebenso mit dem Individuellen und der Innere Coach, die Innere Führung brauchen wir, um Sicherheit und Halt zu spüren. So habe ich das von dir auch verstanden und so passt das genau auch in mein Konstrukt als systemisch arbeitender Psychoanalytiker.

    Ich merke dass NSC®, die Systemische Aufstellungsarbeit und gerade deine Integrative Art zu denken und zu arbeiten, unseren Klienten und Coachees viele Ressourcen entdecken lässt und viel Weite bringt.

    Ich lerne viel und gern mit deiner Akademie INTAKA und mit dir, gerade diese Integrative Breite. Und genau jetzt wieder neu im Online-Bereich. Ich freue mich aber auch dich bald wieder in 3-dimensionaler Präsenz in Brasilien, Peru oder auf Kuba oder sogar in Deutschland zu treffen. Diese Zeiten werden wir noch abwarten können und dürfen uns neu freuen, auf das, was uns vorher selbstverständlich erschien.

    Gerhard Gigler:

    Ich merke lieber René, wir haben nun einen sehr breiten Bogen gespannt und könnten viele Themen ins Detail vertiefen. Vielleicht machen wir das sogar ein anderes Mal. Ich glaube gerade diese Breite macht es aus, dass neue Muster eine Chance bekommen und sich den individuellen Bedürfnissen jedes Einzelnen anpassen können und zudem auch Organisationen und den einzelnen Systemen Anschlussmöglichkeitanbieten.

    Ich danke dir für dieses Gespräch!

     

    Literaturteil:
    René Schubert hat gerade ein Buch in englischer Sprache veröffentlicht.
    Ein Buch mit Übungen von Systemischer Aufstellungsarbeit. Amazon: https://www.amazon.com.br/dp/B089KR6QV6/ref=rdr_kindle_ext_tmb

     

     

    Gerhard Gigler und Renè Schubert

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