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    Organisationen sind wie Pommesbuden

    von Gerhard Gigler

    Faszination bezüglich der Wechselwirkung von Organisationen und Emotionen: die Profession als Supervisor:in

     

    Ein merkwürdiger Satz des Organisationspsychologen David Armstrong „Organisationen sind wie Pommesbuden“ in seinem Buch „Organization in the mind“. Was er damit meint, ist vielfältig. An Pommesbuden treffen sich Menschen, kommen ins Gespräch, nähren und versorgen besonders wichtige Bedürfnisse, oftmals muss manches schnell gehen, vielleicht geht es auch stressig zu, es treffen sich zu bestimmten Zeiten oftmals die gleichen Menschen, vielfältige Düfte sind schon aus einer gewissen Entfernung zu riechen etc…

    Welcher Duft haftet dir an?

    Allerdings ist das Entscheidende, wenn du darin arbeitest, eine Tatsache, die einem schmecken kann, oder eben auch nicht:

    Hast du schon mal in einer Pommesbude gearbeitet? Du riechst vor allem Pommesgeruch und du duftest entsprechend danach. Dann kommst du nach dem 1.Arbeitstag heim und duscht dir den Geruch aus deinen Haaren und von deiner Haut. Du arbeitest mehrere Tage hintereinander, immer dasselbe Ritual nach der Arbeit. Du arbeitest mehrere Wochen, mehrere Monate und bemerkst: je länger du dort arbeitest, desto länger duschst du. Und irgendwann fällt dir auf, dass dir der Geruch anhängt und die Waschrituale nur noch bedingt Erfolg haben. Der Geruch liegt in deiner Nase, haftet dir an.

    Und weil´s dich so intensiv durchduftet, hört man in etwa sowas, wie: „Hm, arbeitest du in einer Pommesbude?“ oder anders formuliert: „Ich habe mir schon gedacht, dass du als Lehrerin in der Grundschule mit Kindern zu tun hast!“, „Ich habe das schon gespürt, dass du in einer Bank arbeitest!“, „Das merkt man, dass du BWL‘er bist!“, „Typisch Sozialpädagogin!“ etc. etc. Solche Sätze sind gelegentlich zu hören und manchmal erfreuen sie denjenigen, den sie treffen und manchmal frustrieren sie eher. Der Geruch unserer Profession und der Organisation, in der wir arbeiten, haftet uns an. Organisationen formen uns und sind in einer Wechselwirkung mit unserer Emotion. Organisation und Emotion formen sich gegenseitig. Unsere Organisationen beeinflussen unsere Emotionen und auch unsere Emotionen können in Organisationen eine große Macht ausüben und eine Organisation nach vorne bringen oder auch in den Abgrund reißen.

     

    Emotionen sind wie der Flügelschlag eines Schmetterlings

    Ein kleiner Rundungsfehler des Meteorologen und Mathematikers Edward Lorenz, der im Jahr 1961 ein Programm zur Wettervorhersage schreiben wollte, hat ihn auf den sogenannten Schmetterlingseffekt gebracht. Eine Miniveränderung an der 27. Stelle nach dem Komma, hat eine ganz andere Vorhersage ergeben. Der Flügelschlag eines Schmetterlings – als winzige, kleine und leichte Bewegung – kann also eine große Auswirkung haben. Dieses Faktum spiegelt sich dann auch in der Chaostheorie nach James Yorke wider. Die Welt folgt keinem millimetrischen, planbaren, vorhersagbaren Muster. Und so ist das auch mit Organisationen. Manager mögen vieles planen und kontrollieren wollen, schießen jedoch eigene Emotionen quer, oder die von Mitarbeiter:innen, kann ein großes Vorhaben scheitern. Führungskräfte, die dies nicht mit einbeziehen wollen, ist diese Tatsache ein Dorn im Auge.

    In diesem faszinierenden Spannungsfeld von Organisation und Emotion arbeitet der/die Supervisor:in und staunt immer wieder mit Neugierde und meist auch mit Lust welch interessante Zusammenhänge und Wechselspiele sich zwischen Emotionen und Organisationen zeigen.

     

    Drei unterschiedliche Systemtypen

    Um sowohl die Menschen mit ihren Emotionen als auch die Organisationen, in denen sie arbeiten, besser zu verstehen, hilft eine Differenzierung der Systemtypen bzw. der Musterbildungen in Organisationen, denn danach funktionieren sie. Nachfolgend einige Unterscheidungen nach Dr. Wolfgang Loos zu den unterschiedlichen Musterbildungen in Organisationen. Klar ist, dass es Reinformen durch alle Ebenen hindurch nicht gibt und sich auf unterschiedlichen Hierarchieebenen Mischungen antreffen lassen. Jedoch sind die Musterbildungen durchaus deutlich bemerkbar und auch die entsprechenden Menschen werden mit ihren jeweiligen Emotionen und Charakterzügen entsprechend angezogen und gehen in Wechselwirkung mit der jeweiligen Musterbildung.

     

    1. Zielbezogene Musterbildung
      Dieser Musterbildung folgen vor allem Profit-Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie:
      • Was nützlich oder nicht nützlich ist für die Zielerreichung des Unternehmens steht im Vordergrund und dient auch als Entscheidungshilfe bei einer Konsensfindung. Das Ziel und die Zielerreichung sind entscheidend und primär für alle Vorgänge.
      • Als Störung wird empfunden – und dann meist auch eliminiert –, was die Zielerreichung behindert.
      • Diese Unternehmen definieren sich über die Aktionen, die der Zielerreichung dienen.
      • Alles Denken und Handeln steht ausschließlich im Interesse der Zielerreichung – auch wie Werte (bspw. Ökologische Werte) in der Werbung „mitverkauft“ werden, erwächst meist keinem echten Bedürfnis nach diesen Werten, sondern der besseren Zielerreichung.
      • Es sind schnell-agierende Organisationen mit kurzfristigen Orientierungen (je früher der Erfolg, desto besser), da Ziele auch viel schneller veränderbar sind im Gegensatz zu Werten.
      • Alles, was nicht der Zielerreichung dient, ist unwesentlich (Inhalte, Normen, Emotionen, Ethische Überlegungen…) – s. Abgasskandal.
      • Die Machtverteilung im System erfolgt ausschließlich nach dem Kriterium: erbrachter Erfolg („Heldenstruktur“).

        Bei „Zielbezogenen Systemen“ wird das Verhalten und die Kommunikation auf das Ziel ausgerichtet!

     

    1. Regelbezogene Musterbildung
      Dieser Musterbildung folgen vor allem Behörden:
      • Alles, was vom Regelwerk der Organisation abweicht, wird als Störung erlebt.
      • Untätigkeit ist dann gerechtfertigt, wenn keine Regel, keine Anweisung oder keine Zuständigkeit vorhanden ist.
      • Gehandelt werden kann erst dann wirklich, wenn die eigene Verantwortung für eine Entscheidung nicht mehr vorhanden ist und der Regel gefolgt werden kann.
      • Das Belohnungssystem innerhalb der Organisation orientiert sich an der kontinuierlichen Befolgung des Regelwerkes.
      • Die regelgesteuerte Form ist wichtiger als der problem- oder bedürfnisbezogene Inhalt.
      • Die Abweichung vom Regelwerk (Delinquenz) wird in jedem Fall durch Strafen (mit Regeln) sanktioniert.

        In „Regelbezogenen Systemen“ sind die Regeln das Maß aller Dinge, sie geben die Orientierung und ordnen, weil sie dauerhaft „falsch“ oder „richtig“ definieren!

     

    1. Wertehaltungsbezogene Musterbildung
      Diese Musterbildung findet sich vor allem in sozialen Einrichtungen, Nonprofitunternehmen und religiösen Gemeinschaften:
      • Entscheidungshilfe für komplexe Vorgänge orientieren sich bei Konsensfindung an Maßstäben, die durch eine „Gut-“ und „Böse-“ Moral gerahmt werden – moralische, ethische Sicht auf einen Sachverhalt.
      • Bestimmte definierte Werte markieren die Grenzen (bei zu großer Unterschiedlichkeit).
      • „Grenzüberschreitungen“ bezüglich des definierten Werterahmens bergen das Risiko des Ausschlusses aus der Wertegemeinschaft.
      • Werte werden über ritualisierte Interaktionsformen und symbolische Kommunikation in Erinnerung gerufen.
      • Das Ausmaß der Verkörperung von Werteorientierung bestimmt über die Verteilung von Macht („Götter, Priester, Laien“).
      • Eine dauerhafte Zugehörigkeit (Stabilität) zur Gemeinschaft ist wichtig, Wertevermittlung geht nur über langwierige Sozialisationsprozesse (im Gegensatz zu Zielformulierungen).
      • Eine hohe Beweglichkeit in den Verfahrensweisen herrscht dann vor, wenn die Werte nicht verletzt werden.
      • Belohnungen werden nicht von außen bezogen, sondern dadurch erlangt, dass Werte verinnerlicht und im Verhalten gelebt werden.

        „Gut“ und „Böse“ sind die inneren Orientierungsrahmen für die Organisation!

    Das gegenseitige Wechselspiel von Emotion und Organisation ist faszinierend und ist als ein wesentlicher Fokus im Blick des/r Supervisor:in. Eine erstaunlich vielschichtige Profession, die die individuelle Dynamik jedes/r Supervisand:in ebenso mit einbezieht, wie die Systemdynamik von Gruppe, Team und Organisation.

     

    Unsere Supervisions- und Coaching-Ausbildung im Haus Werdenfels:

     SvC 20

    • Starttermin:September – 01.Oktober 2021
    • Alle weiteren Infos unter: intaka.de oder direkt bei mir in einem persönlichen und unverbindlichen Infogespräch unter: 0170-4637006

     

     

    Autor: Gerhard Gigler
    Akademieleiter, INTAKA
    Leiter, INTAKA-Caribbean-Center

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