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    Tabu: Beziehungsdynamik, Sexualität, Trauma

    Die Konfrontation mit mir selbst und die Gefühle liegen nackt

    Das ist doch das Besondere am Leben: Beziehungen leben und erleben – in welcher Form auch immer. Egal in welcher Form du Beziehungen lebst: Verbundenheit zu spüren, bleibt das Wichtigste für uns und wenn dieses Gefühl zerreißt, werden wir das als kleinere oder größere traumatische Situation erleben. Es macht uns glücklich und auch so ungemein verletzlich und deshalb gehen wir vorsichtig damit um. Und so tabuisieren wir gerade diese Themen: Beziehung, Sexualität, Trauma.

    Viele negative und unstimmige Beliefs
    und Mythen ranken um diese Themen

    Und was am meisten tabuisiert wird: Sexualität und sexuelle Unlust.

    Zu viele negative und unstimmige Beliefs und Mythen ranken um dieses Thema. Und „nein“, dabei sind es eben nicht in erster Linie die fehlenden Hormone oder körperliche Störungen, es ist weniger das Alter, und erst recht nicht die fehlende Liebe. All das kann auch sein, aber mehr noch finden sich andere interessante Faktoren.

    Das, was Sexualität manchmal einschlafen lässt, ist etwas ziemlich Besonderes und eigentlich etwas arg Interessantes. Klar, wenn man darunter leidet, empfindet man das als weniger interessant, denn verständlicherweise wird meist nur der Negativaspekt wahrgenommen.

    Gerade von Paaren, die lange zusammen sind, höre ich oftmals: „Wir lieben uns einfach ganz tief, weil wir uns schon so gut kennen, und es passt doch grundsätzlich zwischen uns, und da ist Sexualität auch gar nicht mehr so wichtig, oder?“ Und dann wird das einfach so hingenommen und als etwas „ganz Normales“ verstanden. Aber „normal“ ist sowieso schon mal Garnichts. Und natürlich geht es in erster Linie darum, ob jemand was verändern möchte, oder eben nicht. Wenn beide damit zufrieden sind, ist das natürlich auch absolut ok.

    Eine konstruierte Wirklichkeit,
    die Veränderung ausklammert,
    klammert Lebendigkeit aus

    Interessant ist es aber schon, dass vieles an Sehnsüchten tabuisiert wird und jedes Paar sich eine eigene Wirklichkeit konstruiert und einrichtet, manchmal eine, die Veränderung ausklammert und die klammert Lebendigkeit aus. „Es passt doch grundsätzlich zwischen uns…“, so die Äußerung. Und man kann sich dann bei dem Wort „grundsätzlich“ schon mal fragen, was denn die Grundsätze eigentlich sind, auf die man sich geeinigt hat und die beiden scheinbar passen. Wie heißen diese Grundsätze?

    Spannend was da so als Antwort kommt:

    • „… wir kennen uns schon so gut und wissen, wie wir ticken…“
    • „… ich weiß schon, was ich beim anderen ansprechen darf und was nicht…“
    • „… ich hab irgendwann aufgehört, was verändern zu wollen und mich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufrieden gegeben, das Kriegsbeil sozusagen irgendwann begraben und nun sind wir nett zueinander und wissen ja auch, was dem anderen guttut und was nicht…“

    Rundum: „…wir haben uns bestens aufeinander eingestellt und uns damit gut eingerichtet…“. So, dass jeder gut leben kann – und manchmal ist es eben ein nebeneinanderher leben, wie in einer Wohngemeinschaft oder ein gutes Funktionieren oder es geht manchmal auch um´s bloße emotionale Überleben oder man befindet sich in ständigem Kampf miteinander oder im hin und her zwischen Bleiben oder Trennen.

    Wenn man sich so aufeinander eingestimmt hat, kann das aber auch ganz wunderbar und schön sein und gleichzeitig aber auch noch etwas anderes bedeuten.

    Zum einen heißt das, dass man also Rücksicht aufeinander nimmt und dem anderen gut sein will, dass man es sich gegenseitig bequem machen will etc. Und zum anderen hat das dann möglicherweise auch zur Folge, dass manches, oder immer mehr, tabuisiert wird, was dem anderen unbequem sein könnte. Nur bestimmte Gefühle werden zugelassen und andere Gefühle werden gemieden. Je besser und länger man sich kennt, desto mehr ist es auch möglich, dass man dem anderen hilft, bestimmte Gefühle zu vermeiden. Was man wegschieben will, wird dann eben auch vom/von der Partner/in mit weggeschoben – meist unbewusst.

     

    Wenn der/die Partner/in
    wegschieben hilft

    So kann man zu zweit sehr gut viele tabuisierte Gefühle und Aspekte wegschieben und es sich bequem einrichten. Und Singles können dieses „Schiebespiel“ gut auch mit sich selber spielen.

     

    Sex entkleidet Gefühle!

     Nun hat Sexualität unterschiedliche Funktionen in einer Beziehung und zudem eine äußerst interessante Begleiterscheinung, die bedeutsam ist: man ist oftmals irgendwie nackt dabei – wortwörtlich und auch metaphorisch. Und das bedeutet auch, dass bei intimen Begegnungen Gefühle offengelegt werden, die sich sonst im Unbewussten verstecken.

    Sexualität legt Gefühle frei, zieht Gefühle aus dem Unbewussten nach oben – ob man will oder nicht: man spürt deutlicher, was da ist.

    Intimität heißt also auch, sich offen und transparent zu zeigen, mit allem, was einen ausmacht – also nackt. Verletzlicher geht es wohl nicht mehr und daher bleibt eine entscheidende Frage: Kann ich mich selbst bestätigen, wenn ich mich so pur zeige, oder brauch ich die Bestätigung des anderen, also von außen? Kann ich „selbst-bestätigte Intimität“ leben oder brauche ich „Fremd-“bestätigung durch den/die Partner/in.

    Wie mag sich da wohl ein Ritter vorkommen, der aus dem Kampf kommt. Nach 1000 Jahren Ritterrüstung und der ersten Nacht nackt ohne Rüstung. Und oftmals scheint im Alltag so viel Rüstung notwendig, soviel Schutz im alltäglichen Wahnsinn. Und seit Corona scheint sich die Lage verschärft zu haben. Viele sind noch schneller auf der berühmten Palme oder ganz ausgelaugt und down. Rüstungen scheinen wieder mehr in Mode gekommen zu sein – und das nicht nur als Stoffmaske, sondern ziemlich harte Emotionsbandagen.

    Und da stellt sich tatsächlich oft die Frage, wie leicht einem das Ablegen der Rüstung des Alltags fällt und wie einem das vorkommt.

    Fühlt man sich befreit und vielleicht sogar unendlich dankbar, wenn man auf die richtige Person trifft? Oder fühlt es sich vielleicht aber auch ziemlich ausgeliefert an.

    Je mehr ich mich jedenfalls selbst-bestätigen kann, desto weniger ausgeliefert bin ich. Je mehr ich angewiesen bin auf die Bestätigung der anderen Person, desto ausgelieferter und abhängiger wird es einem vorkommen!

    Bedeutet nackt sein – wortwörtlich und auch metaphorisch – nun also Befreiung oder Ausgeliefertsein? Erlebe ich mich in meiner Hingabefähigkeit, die mich erfüllt oder in meinem Kontrollverlust, der mich ängstigt. Damit werden wir also im Innersten konfrontiert und das heißt auch, dass sonst vermiedene Gefühle hochkommen können. Vielleicht ist es die jahrelang angestaute Wut oder die verlorengegangene Sehnsucht nach Freiheit, vielleicht uralte Ängste oder Schuld- oder Schamgefühle. Je länger man sich kennt, desto weniger kann man dann voreinander verbergen – es sei denn, man bleibt eben angezogen. Und das ist eben eine echte und zu überlegende Alternative, sagt das Unbewusste: „…es passt doch grundsätzlich zwischen uns, und da ist Sexualität auch gar nicht mehr so wichtig, oder?“

     

    Lassen wir die Gefühle
    lieber versteckt in einer Ecke

    Kein Wunder, wenn das Unbewusste dann also sagt: „Ähm, Moment mal, hm, muss ja nicht sein, lassen wir doch die Gefühle lieber da, wo sie sind: nämlich versteckt in der Ecke und bleiben wir bekleidet mit den üblichen Rollenmustern. Du weißt nie, ob eine Veränderung etwas besser macht und was danach kommt.“

    Sogenannte sexuelle Funktionsstörungen haben also einen Sinn im System, sie haben die Funktion das System darauf hinzuweisen, dass man die Grenzen der vereinbarten Beziehungskonstrukte überschreiten könnte.

    Sie stellen uns vor die Entscheidung: Grenzen überschreiten, oder in der Komfortzone bleiben. Wir wir wissen, ist es dort bequem, es ändert sich jedoch wenig.

    Ein transformierender Schritt raus aus der Komfortzone, lässt uns frischen Wind um die Nase ziehen und kann das Leben in Beziehung gewaltig verändern.

     

    Gerhard Gigler

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