• 0170 / 4637006
  • info@intaka.de

    Fünf Quellen des Mutes – zuversichtlich und kraftvoll handeln in schwierigen Zeiten – ein Gastbeitrag von Walter Herter

    Bild von Alexa auf Pixabay

    Überblick und Ansatz:  worum geht es?

    In meinem Beitrag geht es darum, welche Funktion und Bedeutung spezifisch Gefühle für Zuversicht, Mut und kraftvolles Handeln haben bzw. sich in Pessimismus, Resignation, Wut auswirken.

    Gedanken, Wissenschaft und Erfahrungen über ein „Alltagsphänomen“.

    Auf der Basis der Zusammenführung biologischer, systemischer, soziologischer und psychologischen Perspektiven auf das Phänomen Gefühle stelle ich die Funktionalität und Logik von Gefühlen in sozialen Systemen vor.

    Gefühle sind nicht alles, alles ist jedoch nichts ohne Gefühle. Gefühle sind die Energiegeber für unser Denken und Handeln, „ohne emotionalen Anstoß gibt es keine Aktion“ (Luc Ciompi).

     

    Zwei spezifische Kontexte dazu:

    • Gefühle im Beruf:
      Gefühle gehören ins Privatleben. Sachlichkeit an den Arbeitsplatz. Vernunft und faktenbasierte Argumentationen, rationales Denken – wer sich darauf konzentriert, bringt automatisch hervorragende Leistung. Diese Überzeugungen haben sich, wie die Erfahrungen des Alltags schon immer signalisiert haben, als überholt erwiesen.Leistung entsteht nicht (nur) durch kognitive Prozesse – Gefühle sind die wesentlichen Motoren, die alle Denk- und Entscheidungsprozesse grundlegend beeinflussen.Also: Schluss mit „bleiben Sie doch mal sachlich“!
    • Gefühle in Krisen:
      Krisen geben sich die Klinke in die Hand (Klimawandel, Krieg in Europa, dem Sterben von Flüchtenden an den Grenzen Europas, dem Erstarken autokratischer Bewegungen und Staaten). VUCA und vor allem BANI, früher oft nur intellektuell als Konzepte erfasst, werden jetzt unmittelbar erlebbare Realität und haben konkrete Auswirkungen auf die Art, Leben zu gestalten. Und manchmal, oft (?) verlieren Menschen den Mut, verantwortlich das Leben zu gestalten. Angst, Resignation, Lähmung – oder andererseits Aktionismus und andere Strategien unter Stress sind dann dominierenden Muster in der Selbstorganisations-dynamik.In der TA haben wir einige Konzepte, in denen u.a. dysfunktionale Copingstrategie für den Umgang mit Stress beschrieben werden (Discounting, Antreiber, Skriptmuster etc…).Ungewissheit, Komplexität, Ambivalenz sind Wesenskennzeichen der Lebenssituation – und doch:  Du kannst nicht Nicht-Handeln. Denn das Leben geht weiter – Deines und das Deiner Umgebung. (Außer in manchen Filmen; da gibt´s den Zeitstopp, das Leben wird angehalten).Gefühle sind dann entweder Störfaktoren, die die vertrauten Selbstorganisationsmuster aus der Synergie und Fluß bringen – das ist die häufige Darstellung.Oder sie sind andererseits Energiegeber für Handeln in Autonomie und Bezogenheit, für ein Gewinnerskript – diese Perspektive gilt es, in den Vordergrund zu stellen.

     

    Gefühle, eine Annäherung:
    Beschreibungsversuche für das, was uns bewegt.

    Gefühle sind die Motoren unserer Gedanken und Verhaltensweisen.  Neurobiologen bestätigen und untermauern durch ihre Erkenntnisse die „weichen“ Aussagen der verschiedenen humanpsychologischen Ausrichtungen. So beschreiben sowohl António Damásio als auch Luc Ciompi, dass Emotion integraler Bestandteil von Denk- und Entscheidungsprozessen ist.  Der Hirnforscher Ernst Pöppel beschreibt, dass ein Entscheiden ohne emotionale Beteiligung gar nicht möglich sei. Auch der Neurobiologe Gerald Hüther weist Gefühlen eine essenzielle Bedeutung zu, so ist er der Ansicht, dass wir ohne Angst wir nicht überlebensfähig seien.

    „Gefühle sind ein poetischer Kommentar zur eigenen Existenz. Sie sind ausdruckshafte Erfahrung des eigenen ökologischen Gleichgewichts.“ (A. Weber, Biologe und Philosoph),„Barometer unserer seelischen Ökologie“ (ders.)

    Dazu auch aus der Perspektive von Systemik und Systemtheorie:
    Gitta Peyn, Kybernetikerin und Systemtheoretikerin): „Gefühle, sogar starke Emotionen, da (in höheren Komplexitätskompetenzstufen, Anm von mir) nicht weniger, sondern feiner, tiefer, oft intensiver, liegen häufig sogar mehr an der Oberfläche, insbesondere wo menschliches Leid eine Rolle spielt, während gleichzeitig der Flow mit ihnen deutlich mehr zunimmt.“

    Sie drückt aus meiner Interpretation beides aus: die Störqualität von Gefühlen. Deshalb auch: „Aufräumen im Haushalt der Gefühle, damit das Denken wieder klar wird.“

    Und, „flow“, die Lebensenergie, deren Kraft aus den Gefühlen bewirkt wird.

    1. B. Simon und G. Weber schreiben von „Ohne Gefühle und die durch sie immer wieder zustande kommenden sozialen Systeme wäre die Menschheit schon längst ausgestorben“ (S. 65), und vom „Tanz der Gefühle“ (S. 69).

     

    Im Überblick:

     

    Die Verbindung zwischen Gefühlen und Lebensenergie:

    Eine zentrale Frage für die Gestaltung der Selbstorganisationsdynamiken ist das Gestalten unseres Energiemanagements:

    • Welche Energien brauche ich für mich zum Leben (in bezogener Autonomie)?
    • Wie setze ich meine Energie ein bei der Mit-Gestaltung des Lebensnetzes?

     

    Die Art und Weise, wie wir mit dem Phänomen Lebensenergie umgehen, das ist die Funktionalität der Gefühle.

    Gefühle aus dieser Perspektive haben die Funktion, Lebensenergie auszurichten.

    Ausprägungen, Beschreibungsannäherung an die 5 Gefühle

     

    Wenn alle Gefühle zusammenwirken, können wir uns mutig, kraftvoll erfrischend dem Abenteuer des Lebens stellen.

    Wir brauchen das Zusammenspiel der Gefühle, weniger die Betrachtung eines einzigen Gefühls!

    Freude ohne Aggression macht kraftlos, Neugier ohne Werte und Angst macht leichtsinnig oder übergriffig, Angst vor Beziehung macht unverbindlich, ohne gestärkte Seele ist Trauer kaum anschaubar, Aggression ohne Werte macht gewalttätig, Aggression ohne Angst übermütig, Angst ohne gestärkte Seele neigt zur Panik, Angst ohne Aggression wird hilflos, ohne Neugier wird sie blind, Angst vor den eigenen Bedürfnissen macht ebenso hilflos…

    „Wenn Du Dich unrund fühlst, aus dem Gleichgewicht – schau hin: welches Gefühl übernimmt die Führung im System – und welche Gefühle gilt es zu aktivieren, wahrzunehmen, damit Du wieder in Balance kommst?“

     

    Gefühlsfeld Interesse, Neugier, Erkunden, Erforschen, Staunen:
    Zentrale Funktion: Hier geht es um das neugierige Erkunden des „Außen“. Je fremder, seltsamer, beängstigender, um so anspruchsvoller. Neugier und Staunen ermöglicht uns den weiten Blick auf den Möglichkeitsraum, macht frei. Ohne Interesse können wir z.B. nicht zuhören, nichts neues entdecken, nichts ausprobieren, nicht kreativ sein

    Dysfunktionale Ausprägungen:
    Voyerismus, mind-fucking, ausfragen, distanzlos sein.

     

    Gefühlsfeld Verbunden-Sein, Zuneigung, Leidenschaft, Hingabe:
    Funktion: Sich auf etwas hinbewegen bzw. etwas zu sich nehmen, das Körper, Geist, Seele nährt, inspiriert, stärkt, wachsen lässt. „Freude – die Glut, die dem Sein innewohnt.“

    (Erich Fromm). Freude findet ihren Ausdruck im Bejahen einer Beziehung.

    „Schön, dass es Dich gibt in meinem Leben…“

     

    Dysfunktionale Ausprägungen: Klammern, Abhängigkeit, rosarote Brille, Fanatismus, Haben (statt Sein), Sucht

    Dieses Gefühlsfeld sorgt für Zu-Neigung, Zu-Wendung (Stroke-Ökonomie). Dazu gehört vor allem auch die Zu-Neigung, das JA zu sich selbst, zu seinem Können, seinen Werten, seiner Spiritualität. Dann auch an die Integrität der Menschen zueinander. Oder für das Commitment, das „JA“ zur Aufgabe, zum Unternehmen, zum Beruf (Berufung), zur Rolle, zum Produkt, zum Projekt

    Gefühlsfeld Aggression, Tatkraft, Gestaltungswille, Ärger, Unmut:
    Funktion: Das Eigene bewegen wollen, für etwas eintreten, Wirkung erzielen, oder es verteidigen, abgrenzen. Wachsen, sich seinen Raum erobern. Eintreten für das, was Freude macht. Aggression im ursprünglichen Sinne: an etwas herangehen, Tatendrang, etwas wollen auch gegen Hindernisse und Widrigkeiten; sich abgrenzen können, nein-sagen können; Gespür für Unstimmigkeit. Mutig sein, Beherztheit.

    „Ich nehme mir das Leben – und ich geb es nicht mehr her“ (Konstantin Wecker)
    „Trutzmacht des Geistes, auch sich selbst gegenüber.“ Viktor Frankl

     

    Dysfunktionale Ausprägungen:
    Hass, Wut, Verachtung, Empörung, beschwichtigen, Trostpreis, …

     

    Gefühlsfeld Angst, Unwohlsein, Unsicherheit:
    Funktion: Wach sein, das Bedrohliche, Risikohafte für das Leben, für die eigene Unversehrtheit vermeiden, sich schützen. Das Wert- und Sinnvolle: Botschaft des Unbehagens, „Du kennst Dich hier (noch) nicht aus! Routine greift nicht“

    Handlungsimpuls: verlangsamen, genau hinschauen, Aufmerksamkeit schärfen, Achtsamkeit erhöhen. „Trägt der Boden noch?“  Schutz vor Leichtsinn und Übermut einerseits und vor Panik andererseits.

     

    Dysfunktionale Ausprägungen:
    Angst vor der Angst, Aktionismus, Panik, sich der Hilflosigkeit ergeben

     

    Gefühlsfeld Trauer, Schmerz:

    Funktion: Sich verabschieden, sich trennen oder getrennt werden von etwas, was einem Freude bereitet hat. Was ist nicht (mehr) möglich, so gern, wie ich es auch hätte, so sehr, wie es mir Freude bereitet hat, mich genährt hat? Wie unterscheide ich den Möglichkeitsraum für mich von den Grenzen meiner Macht, dem Bereich der „ohne Macht“?

    Dysfunktionale Ausprägungen: alle Phasen von Kübler-Ross, wenn wir drin hängenbleiben bzw. nicht unterscheiden

     

    Der Artikel erscheint im INTAKA-Blog als Gastbeitrag von Walter Herther. Herzlichen Dank dafür, lieber Walter!

     

    Walter Herter
    Dipl-Päd, Dipl-Oec, CTA – O,

    Ausbildungen zum Aggressionsberater und Konfliktberater, mehrjährige Weiterbildungen in systemischer Beratung, Gruppendynamik, KI-Energie, Aufstellungsarbeit

    NSC®-Coach, INTAKA

    Login to your Account