Coaching mit Pferden
Was wir Menschen von den Pferden lernen können
von Eike Holtschmit
Der Begriff Coach bzw. Coaching ist ganz eng mit Pferden verbunden, denn Coach (engl. Kutsche) hängt etymologisch mit dem Wort Kutsche zusammen, und diese wird von Pferden gezogen. Ist das nicht interessant?! Das Bild der Kutsche vermittelt auch einen Kern von Coaching: die Kutsche ist ein Hilfsmittel, ein Beförderungsmittel, um sich auf den Weg zu machen und mit Hilfe von ihr ein Ziel zu erreichen. Später wurde mit Coach auch der Kutscher assoziiert, jemand der weiß, wie er dieses Hilfsmittel lenkt. Die Jahrtausende alte Geschichte von Mensch und Pferd hat auch im Sprachgebrauch interessante Spuren hinterlassen: Man nimmt den Mitarbeiter an die Kandare, jemand schlägt über die Stränge (das sind die Zugstränge einer Kutsche), man lässt die Zügel schleifen und zäumt das Pferd von hinten auf. Ihnen fallen sicher noch weitere Redewendungen ein.
Das Pferd lebt im Herdenverband und gehört zu den Fluchttieren. Es muss als Fluchttier Räume und Distanzen hervorragend einteilen können, und es muss die Körpersprache von Raubtieren sehr gut lesen können. Schließlich muss das Pferd entscheiden, ist Flucht angesagt, oder ist das Raubtier satt und stellt gerade keine Gefahr da. Ein schönes Beispiel für die Fähigkeiten von Pferden die Körpersprache von Raubtieren bzw. Menschen lesen zu können ist die Geschichte vom „Klugen Hans“.
Anfang des vorigen Jahrhunderts lebte der pensionierte Schullehrer Wilhelm von Osten. Sein Pferd hieß Hans und war sehr berühmt. Man nannte es den „Klugen Hans“. Von Osten hatte ihm beigebracht zu zählen, zu rechnen und zu buchstabieren. Seine Antworten gab Hans mit dem Huf: er klopfte so lange auf den Boden, bis das richtige Ergebnis erreicht war. Und er irrte sich selten. Es wurde eine Kommission gegründet, die dieses Phänomen untersuchte. Konnte es vielleicht sein, dachte sich der Psychologiestudent Pfungst, dass der „Kluge Hans“ intuitiv auf den Fragensteller reagierte? Dass er gelernt hatte, so lange mit dem Huf zu klopfen, bis eine winzige Veränderung in der Mimik seines Gegenübers ihm nahelegte, damit aufzuhören? Denn dann gab’s die Belohnung. Pfungst testete den „Klugen Hans“ nochmal und stellte fest: Genau das war’s. Wenn das Pferd den Fragesteller nicht sehen konnte oder wenn der das Ergebnis nicht wusste, klopfte es an der rechten Antwort vorbei. Dagegen reichte schon eine um ein Fünftel Millimeter hochgezogene Augenbraue, damit der „Kluge Hans“ wusste: das Ziel war erreicht. Der „Kluge Hans“ konnte weder rechnen noch buchstabieren. Dafür konnte er ausgezeichnet beobachten. Die um einen Fünftel Millimeter hochgezogene Augenbraue spiegelt die Erwartungshaltung des Fragenstellers wider.
Unsere Körperhaltung verändert unsere Gefühle und umgekehrt. Jeder Gedanke hat eine Reaktion im Körper und umgekehrt. Und die Pferde können das hervorragend lesen, ein wesentlicher Punkt beim Coaching mit Pferden. Menschen und Pferde leben jeweils in einem Sozialverband mit einer hierarchischen Struktur und kooperieren mit Artgenossen. Sie sprechen dieselbe Sprache, die Gefühlssprache. Wegen dieser Gemeinsamkeiten funktioniert die Kommunikation auch über Artgrenzen hinweg. Statussymbole sind für Menschen von Bedeutung. Pferden ist das völlig unverständlich. Sie reagieren immer auf die aktuelle Situation, können sich aber auch sehr gut erinnern.
Lernen hat sehr viel mit Emotionen zu tun. Und wer einem Pferd gegenüber gestanden hat, wird sich noch lange Zeit danach an die Gefühle erinnern. Das Coachen ist also durch die damit verbundenen Emotionen sehr nachhaltig. Im Umgang mit dem Pferd geht es um Respekt, Vertrauen und Authentizität. Das Pferd spiegelt unmittelbar den äußeren Führungsstil und die innere Haltung eines Menschen wider.
Wie läuft nun so ein Coaching mit Pferden ab? Der Coachee benötigt keine Vorkenntnisse bzgl. Pferden. Zuerst findet ein Vorgespräch zwischen Coachee und Coach statt, bei dem es um die Ziele und Erwartungen des Coachees geht.
Dann kommt die Arbeit mit dem Pferd. Dazu sind Coachee und Pferd in einem eingezäunten Platz. Der Coach gibt Anweisungen, wie der Coachee das Pferd zu bewegen hat, beispielsweise zwei Runden im Trab rechtsherum. Nun darf das Pferd weder die Gangart noch die Richtung wechseln. Es kommt ein Gespräch zustande zwischen dem Coachee und dem Pferd. Der Coach (der Kutscher) fungiert dann quasi als Dolmetscher zwischen den beiden, insbesondere wenn die Unterhaltung ins Stocken gerät bzw. abreißt. Im Anschluss daran findet ein Nachgespräch zwischen Coachee und Coach statt, bei der das Erlebte aufgearbeitet wird und ein Transfer in das alltägliche Leben des Coachees hergestellt wird.
Coaching mit Pferden bietet daher viele Möglichkeiten und Vorteile: Zielformulierungen können sehr gut geübt werden. Z.B. zwei Runden im Trab rechtsherum. Die Wahrnehmung wird geschult. Waren es genau zwei Runden, oder haben vielleicht drei Tritte dazu gefehlt? Der Coachee kann seine Körpersprache überprüfen, und bekommt vom Pferd ein ganz klares, unverfälschtes Feedback. Auch unbewusstes Verhalten wird aufgedeckt. Der Coachee kommt in eine neue Situation. Wie geht er damit um? Eine vertrauensvolle Ausstrahlung wird geschult. Und die Ergebnisse sind absolut individuell. Dasselbe Pferd verhält sich bei zwei verschiedenen Menschen unterschiedlich. Während es beispielsweise bei einem Menschen sehr schön mitarbeitet, kann es den anderen Menschen zum Weinen bringen. Die Ergebnisse sind leicht in das Alltagsleben des Coachee zu transferieren. Und durch die starke Emotionalität wirkt das Coaching sehr nachhaltig.
Ich lade Sie ein: Steigen Sie in die Kutsche und sagen Sie, wo es hingehen soll. Gerne bin ich der Kutscher und mehr und mehr nehmen Sie selber die Leinen in die Hand.
Das Pferd ist dein Spiegel. Es schmeichelt dir nie. Es spiegelt dein Temperament. Es spiegelt auch seine Schwankungen. Ärgere dich nie über dein Pferd; du könntest dich ebensowohl über deinen Spiegel ärgern.
Rudolf G. Binding (1867 – 1938)
Herzliche Einladung zu einem Kurs „Coaching mit Pferden“ nach Kuba in das INTAKA-Caribbean-Center „Ile Ocha“ nach Kuba vom 07. – 11. April 2014.