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    Wieso Systemisches Coaching traumasensibel sein sollte!

    Die Häufigkeit der Konfrontation von Trauma in Coaching und Psychotherapie und die gleichzeitige Häufigkeit dies zu übersehen

    Wieso wurde ich in meinen Anfangszeiten vor über 30 Jahren in der Beratung, als Systemischer Coach und auch als Heilpraktiker für Psychotherapie so oft mit dem Thema Missbrauch konfrontiert? Das habe ich mich oft gefragt. Auch später kamen immer wieder Themen, die mit sexuellem, vor allem aber psychischem und emotionalem Missbrauch zu tun hatten – gerade auch in der Systemischen Arbeit.

    Je mehr ich mich mit dem Thema Trauma beschäftigte, desto intensiver wurde mir klar, dass so vieles genau mit diesen Themen zusammenhängt und ich fragte mich irgendwann, was denn eigentlich nicht mit dem Thema Trauma oder traumaähnlichen Erlebnissen zu tun hat, wenn es um tieferliegende Problematiken geht.

    Allerdings gilt es zu unterscheiden: diejenigen Inhalte, die einer Person als traumatisierende Erlebnisse bewusst sind und diejenigen, die dies nicht sind. Die Entwicklerin des EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), Francine Shapiro unterschied zwischen Trauma mit großem T geschrieben und den small-t-traumas, also diejenigen „kleinen“ traumatischen Erlebnisse, die nahezu alle Menschen in sich tragen.

    Die Folgeerscheinungen sind ähnlich, aber natürlich graduell unterschiedlich: Posttraumatische Belastungsstörungen, Ängste, Depression, Verlassenheitsgefühle, das Gefühl anders zu sein, nicht dazuzugehören und vieles mehr. Und vor allem in den Kompensationsmechanismen ist unser Organismus erfinderisch und schlau. Wir sind Meister des Ausgleichens, also etwas Schmerzhaftes mit einem Impuls auszugleichen, der uns irgendwie in Balance hält und Verbindung ermöglicht oder auch vorgaukelt. Denn im Kern steckt bei traumatischen Erlebnissen immer die Zerrissenheit in uns, das Gefühl unverbunden zu sein mit uns und dann auch mit anderen. Die Kompensationsstrategien sind dazu vielfältig und sind bei small-t-traumas meist Verhaltensmuster, die gar nicht „sooo unnormal“ erscheinen. Es ist vielleicht die ständige innere Unruhe oder der Stress, der uns als normal erscheint, das innere Getriebensein, das wir in uns spüren, der Leistungsantrieb oder die Jagd nach Anerkennung. Und genau das sollte dem Coach Anhaltspunkte bieten, denn mit diesen Themen kommen die Menschen auch ins Coaching. Dort wo Kompensationsmechanismen zerstörerisch wirken (auf Dauer), aber für normal gehalten werden, dort bleibt etwas von einer nicht-authentischen Beziehungssituation. Die sollte der Coach bewusst wahr- und auch ernstnehmen.

    An dieser Stelle heißt es traumasensibel umzugehen. Oftmals wird dann auch im Coaching nicht das gesehen, was dahinterliegt, sondern die Verhaltensebene wahrgenommen. Allerdings spüren wir: da kommen wir nicht weiter, da ist noch was, da geht’s noch um was anderes. Und nun ist die große Frage, ob das unser Coachee auch so sieht, oder wir weiter auf der Verhaltensebene bleiben, weil er auf andere Ebenen nicht blicken mag. Und: ob Therapie angesagt ist oder als Parallelprozess ins Laufen gebracht wird – je nach gradueller Ausprägung und je nach Kompetenzen des Coachs. Die Angst, dass Kompensationsstrategien wegfallen und dahinter Instabilität spürbar wird, ist verständlich – auf beiden Seiten: beim Coach und beim Coachee. Von daher ist es in der Traumatherapie, ebenso, wie im traumasensiblen Coaching immer beides: Arbeiten an dem, was da dahinter liegt und an der eigenen Sicherheit.

     

    Und im Systemischen Coaching?

    Transgenerationale Traumatas über nicht aufgelöste Bindungsgeschichten aus alten Systemen verstärken die kleinen small-t-traumas. Und wer findet in den Geschichten vorangegangener Generationen nicht irgendwelche problematischen Situationen und die sprichwörtlichen „Leichen im Keller“?
    Nein, nicht alles ist ein Trauma. Und dennoch finden sich viele Re-Inszenierungen von alten vergangenen Bühnenstücken, die Lebendiges in der Gegenwart blockieren und nicht atmen lassen.

    Und wie kann das sein? Wieso beschäftigen uns diese alten Systeminhalte so lange. Manche gehen von 7 Generationen aus, die mich heute noch beeinflussen. Das mag fast hilflos und ratlos machen und was steckt dahinter?

    Wenn ein Individuum sich dann in Systemen wohlfühlt, wenn Geben und Nehmen im Ausgleich ist, dann entstehen Systemverletzungen, wenn dieser Ausgleich nicht gegeben ist. Wir kennen das im Großen, aber auch in kleinen lapidar-erscheinenden Erlebnissen. Ein Beispiel: Es wird zwischen zwei Partner:innen vereinbart, dass man sich nichts schenkt an Weihnachten, diesmal auch keine Kleinigkeit. Und dann ist es so weit und doch bekommt der eine nichts und der andere hat sich den Kopf zerbrochen und dann doch etwas sehr Zutreffendes geschenkt. Das kann dann schon mal ok sein, passiert sowas allerdings öfter, kann schon auch mal ein ungutes Gefühl entstehen.

    Oder eine Freundin schenkt etwas, was viel mehr Wert hat, als man selber schenkt. Man möchte dies dann irgendwie ausgleichen, es soll Balance herrschen. Und auch in emotionalen oder kognitiven Dingen. Wenn ich in einer Gruppe oder im Team bin, möchte ich durch andere angeregt werden, aber auch sehen, dass andere durch meine Beiträge einen Benefit haben. Es soll im Ausgleich sein. Allerdings haben wir da ein Problem mit den Eltern und unseren Vorfahren. Sie haben uns unser Leben geschenkt und das ist etwas so Übergroßes, wie soll ich dies ausgleichen können? Ich tue das, in dem ich etwas übernehme von den Eltern, eine Last, eine Schuld, ihre Beliefs oder etwas weiterführe, was ihnen wichtig war, die elterliche Firma, obwohl man lieber studieren möchte, etc.
    Gerade bei der Übernahme von Leidvollem, von Schuld und Belastung sind wir im Systemischen Coaching gefragt. An dieser Stelle ist Traumasensibilität gefragt.

    Gerade im EMDR wurden dazu viele ressourcenreiche Übungen kreiert, aber auch im Systemischen Ansatz, im NLP, in Hypnose und allen anderen Verfahrensweisen haben wir Übungen, die an diesen Triggerpunkten erleichtern und natürlich die für die Systemische Arbeit so typischen Übergaberituale, der Leere Stuhl in der Gestaltarbeit, die Teilearbeiten aus der Ego-State-Therapy, die wiederrum in vielen Coaching-Tools aufbereitet wurden. Bei INTAKA ist uns – nicht nur deshalb – die Integration des Inneren Coachs so wichtig, der die ressourcenreiche innere Führungsfigur im inneren Team ist, die weise Gestalt in uns, die ebenso autonom, wie verbunden ist. 70 % aller Interventionen sollte ressourcenreich sein – laut Shapiro – und das macht bei traumaangrenzenden Gebieten Sinn, ist aber auch sonst eine absolut wohltuende und lebensbejahende Interventionsrichtung fürs Coaching – egal, ob man mit Personen oder Organisationen arbeitet, für die das Thema ein Kernthema sein sollte – vor allem die Kompensationsstrategien, die viel Leistung befördern und ebenso eine Organisation zerstören können.

     

    Nächste Ausbildung zur/m Systemischen Coach:
    20.10.-23.10.2022
    Seminare mit Online-, Präsenz- und asynchronen Teilen
    https://intaka.de/coach/

    Auf den Ausbildungsstart im Oktober freue ich mich und ebenso auf mögliche Fragen oder Feedbacks unter 0170-4637006 oder gerhard.gigler@intaka.de

    Gerhard Gigler

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