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    Systemische Aufstellungsarbeit in der Politik

    von Peter Klein (Vorstand Infosyon)

    Ein Interview mit Dr. Matthias Strolz (Vorsitzender NEOS)

    Peter Klein, Vorstand infosyon (Forschung & Entwicklung): Herr Dr. Strolz, Sie nennen die NEOS die „erste systemische Partei“. Was bedeutet das für Sie, für Ihre Aufstellung nach innen, und was für die Außenwirkung, in der politischen Landschaft. Was zeichnet die NEOS als eine erste systemische Partei aus?

    Dr. Matthias Strolz, Parteivorsitzender NEOS: In unserer Innenperspektive als Partei heißt das, dass wir für unsere Organisation einen ganzheitlichen Blick haben. Anhand eines systemischen Organisationsmodells wird große Aufmerksamkeit auf vier Pole gelegt: Strategie (also inhaltlich-programmatische Entwicklung), Struktur (z. B. Aufbau- und Ablaufstruktur, inklusive Prozesse), unsere Kultur (das Miteinander; v. a. geschriebene und ungeschriebene Spielregeln und unsere Kommunikation) sowie die Exekution, also die Umsetzung. Hier arbeiten wir in der Organisationsentwicklung auch immer wieder mit systemischen Strukturaufstellungen. Wir haben uns damals bei Gründung – sogar in unseren ersten Statuten verankert – zu einer permanenten Selbstreflexion verpflichtet, in der wir uns selbstkritisch mit unseren Dynamiken auseinandersetzen. In dieser Haltung verstehen wir uns als systemische Bürgerinnen- und Bürger-Bewegung und wollen dies mit Leben füllen. Dies ist die Innenperspektive.

    Auch in der Außenperspektive haben wir einen ganzheitlichen Ansatz. Wir sind keine ideologisch-dogmatische Partei, sondern eine wertebasierte BürgerInnenbewegung, aufbauend auf fünf Kernwerten: Freiheitsliebe, Eigenverantwortung, Nachhaltigkeit, Authentizität und Wertschätzung. Wir haben zu den drei Inhalts-Stifterinnen – die drei erstgenannten Kernwerte – also auch „Haltungswerte“ bzw. stilistische Werte aufgenommen: Authentizität und Wertschätzung. Das ist unüblich. Man wird keine andere Partei finden, die Authentizität und Wertschätzung als Kernwerte hat, weil so etwas in der ideengeschichtlichen Tradition Europas für Parteien bisher nicht vorgesehen war.

    Einen systemischen, ganzheitlichen Anspruch stiftet natürlich auch die Nachhaltigkeit. Sie ist für uns wertemäßig die Mutter der Generationen-gerechtigkeit und sie steht auch für die Balance einer sozialökologischen Marktwirtschaft als unser Leitmodell wirtschaftlicher Art.

    Das alles sind integrale oder systemische Konzepte und Entwürfe. Am Anfang habe ich das in Interviews öfter auch explizit so ausgeschildert. Aber ich habe bemerkt, dass ich damit viele Menschen nur verwirrte. Daher ist dieses soziologische und für Viele sperrige Vokabular stärker in den Hintergrund getreten.

    Peter Klein: Das kenne ich aus der Aufstellungsarbeit. Da wird „systemisch“ auch schnell mit „systematisch“ verwechselt, oder gefragt, ob der Begriff „integral“ aus der Mathematik kommt.

    Matthias Strolz: Ja, da kommt es zu manch´ lustiger Verwechslung. Ich hab´ dann gelegentlich versucht, zu präzisieren: Man könnte uns auch als erste postmoderne Partei bezeichnen, weil wir in unseren Spannungsbögen ganz neue Kombinationen leben. So sind wir auch die erste „Sowohl-als auch-Partei“. Ich habe versucht, das auszudeutschen. Aber es macht eben nur bedingt Sinn, das in der Öffentlichkeit zu verwenden. Es verwirrt mehr als es Klarheit schafft. Für fachspezifisch qualifizierte Öffentlichkeiten und in Fachdiskussionen, denke ich, sind es allerdings hilfreiche und präzise Zuschreibungen.

    Peter Klein: Ich glaube bei unserem Kongresspublikum sind Sie auf dieser Ebene genau richtig! Deswegen gleich die nächste Frage zur Haltung. Der systemische Ansatz hat viel mit Komplexität, Klarheit und Transparenz zu tun. In Aufstellungen werden Wechselwirkungen offensichtlich. Wie gut verträgt sich das mit der Politik?

    Matthias Strolz: Grundsätzlich schon gut. Natürlich nicht immer gleich gut, das ist schon klar. Aber so ist es im Leben insgesamt. Auf eine neue Weise zu sagen, was ist oder gar zu zeigen, was ist, das ist eine der kraftvollsten Interventionen, die wir zur Verfügung haben. Das ist uns, die wir in systemischen Aufstellungen oder im Systemischen insgesamt arbeiten, bewusst. Und die Grenze der Intervention ist der Intervenierende. Ich muss mir als Interventionsführer überlegen: Ist das jetzt die richtige Intervention? Also nur aus Freude an der Offenbarung, wird die Offenbarung nicht immer funktional und hilfreich sein. Man muss das kalkuliert und sehr dosiert einsetzen. Wir haben natürlich auch intern, wenn wir mit Aufstellungen arbeiten, durchaus Widerstände oder Menschen, die das ablehnen, und das ist auch in Ordnung. Es wird niemand gezwungen bei uns, aber ich lasse mir die Aufstellung als wichtiges Instrument

    auch nicht nehmen. Mich hat sie sehr bereichert und mir ist sie immer wieder eine wertvolle Unterstützung. Anderen gibt eine Aufstellung nichts – auch okay: Es ist, wie es ist.

    Peter Klein: Bedurfte es größerer Überzeugungsarbeit mit der Methode der Aufstellung im Rahmen der NEOS zu arbeiten?

    Matthias Strolz: Wir haben von der ersten Klausur an, bereits mit den ersten 35 Leuten, damit gearbeitet. Damals haben wir schon beim ersten 2-Tages Workshop Aufstellungen gemacht. Wir haben geprüft: Ist genügend Energie da? Gibt es ausreichend gemeinsame Schnittfläche in unseren Menschenbildern, Weltanschauungen, in unsern Zielen und Anliegen? Was ist gesellschaftlich im Raum? Und dazu haben wir am Abend auch mit einer großen Aufstellung gearbeitet.

    Wir hatten unlängst ein 3-Jahres-Treffen zu unserer Gründungsklausur, zu dem sind von diesen 35 Leuten der ersten Stunde – die sind von China bis Zürich überall über die Welt verstreut – 20 Personen gekommen. Das hat mich sehr gefreut. Und wir haben auch dort wieder eine Aufstellung gemacht. Es war frappant für mich, wie wir sofort wieder in einer vertrauensvollen Atmosphäre waren, also in der Schwingung der Anfangsphase. Das war für uns alle sehr berührend. Und diese Aufstellung war für mich auch wieder hilfreich.

    Die Politik insgesamt ist extrem schnelllebig, druckvoll und verwertungs-orientiert. Sie hat auch etwas Manipulatives und Verletzendes. Das sind zwei Attribute, die sich mit Aufstellungsarbeit nicht gut vertragen. Das heißt, ich bin schon immer bemüht einen vertrauensvollen Rahmen zu finden, wenn wir diese Instrumente verwenden. Der ist nicht immer gegeben.

    Peter Klein: Wie sind Sie eigentlich zum allerersten Mal zu einer Aufstellung gekommen? Ich bin vor über 20 Jahren zufälligerweise bei einem Seminar in eine Aufstellung hineingeraten. Ich wusste gar nicht, was das ist. Hatten Sie etwas davon gelesen, oder gehört? Oder war es eher ein Zufall?

    Matthias Strolz: Ich war immer interessiert an Selbsterfahrung. Ich habe meine erste Trainerausbildung mit 17 Jahren gemacht und dann zahlreiche Ausbildungen im Bereich der Gruppendynamik und der systemischen Organisationsentwicklung. In die Aufstellungsarbeit hineingestolpert bin ich über ein privates Anliegen. Eine Trennung nach sechs Jahren Beziehung, am Ende meiner Studienzeit. Zur Bewältigung unseres Trennungsschmerzes bin ich in eine Familienaufstellung gegangen und das hat mich extrem fasziniert. Es war mir sofort klar, dass mich das nicht mehr los lässt. Und dann habe ich auch Ausbildungen gemacht, Aufstellungen besucht, war z. B. auch eine Woche mit Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer in Griechenland. Und ab 2001 habe ich als Organisationsentwickler selbst mit Aufstellungen gearbeitet. Es hat mich immer wieder eingeholt und wird wohl auch Teil meines Lebens bleiben.

    Peter Klein: Mit Matthias Varga von Kibéd arbeite ich auch im Bereich Prototypische und Kollektive Bewusstseinsaufstellungen zusammen. Apropos Griechenland. In einer kollektiven Aufstellung zur Finanzkrise (5.12.2011) haben wir uns in meinem Team auch mit Griechenland beschäftigt. 1 Vieles, was in dieser Aufstellung sichtbar wurde, hat sich mittlerweile verwirklicht. So gab es Menschen, die in der Berufung auf die Tradition, mit Griechenland als Wiege der Demokratie, in dieser Krise auch eine Chance zum Musterbruch sehen. Aber auch ein Spannungsfeld mit einem „schwarzen Mann“ wurde sichtbar, der als Schattenanteil, als die Finanzmacht, oder auch als die Gier – in jedem von uns – gesehen werden kann. Was haben Sie und die NEOS für eine aktuelle Position zu Griechenland?

    Matthias Strolz: Keine dogmatische. Das ist ein extrem vielschichtiges Phänomen. Ich glaube, alle, die wir auch mit Aufstellungen arbeiten, sind uns einig: es braucht auch klare Verantwortung. Das ist sicherlich ein Grund des Übels, dass Verantwortlichkeiten nicht ausreichend wahrgenommen wurden; und zwar von allen Seiten. Griechenland hat sich in die Eurogruppe hinein geschwindelt; die gegenüberliegende Seite hat gewusst, dass geschwindelt wird. Das eine führt zum anderen. Man hat sich von einem Schwindel in den nächsten gerettet. Und irgendwann ist dann Schluss damit. Wir müssen uns der Verantwortung stellen. Gemeinsam. Das versuchen wir gerade.

    Peter Klein: Wenn nicht einmal die eigenen Oligarchen im eigenen Land besteuert werden, ist es schwierig, nur einer Seite die Schuld zuzuschieben …

    Matthias Strolz: Alle Seiten hängen mit drin und deswegen wird es auch eine Kraftanstrengung für alle bedeuten. Ich teile nicht die Auffassung der neuen griechischen Regierung, die hier im Wahlkampf und in den ersten Wochen ihrer

    1 Veröffentlicht in: Das Aufstellungsbuch, Braumüller, 2012

    Amtszeit sehr plakative Ansätze gepredigt hat und sich in meiner Wahrnehmung wieder aus der Verantwortung stehlen wollte. Das könnte sich nun langsam drehen. Reality strikes. Ich sehe gleichzeitig, dass das griechische Volk, die einfachen Menschen, den höchsten Preis bezahlt hat. Die sind an einem Punkt, an dem sie nicht mehr Belastung ertragen wollen und teilweise auch nicht können. Das ist für mich nachvollziehbar. Allerdings glaube ich auch nicht, dass ein neuerlicher Schuldenschnitt die Lösung ist. Eine Erstreckung der Laufzeiten wird es aber jedenfalls brauchen.

    Ich würde da sehr pragmatische Schritte setzen. Es gibt immer wieder die Sehnsucht nach heroischen Aktionen, und dass mit einem Schlag der gordische Knoten gelöst wird. Aber das wird nicht gelingen. Das wird ein ganz mühsames Sich-wieder-Aufrappeln. Und wir müssen hier vor allem in Beziehung, im Dialog bleiben, weil es sonst ins Negative eskaliert.

    Es gibt jetzt eine Links-Regierung mit einem Juniorpartner von rechts außen. Falls diese Regierung scheitert, ist es durchaus wahrscheinlich, dass als nächstes die Rechtsradikalen rankommen. Wir sehen, dass die Probleme so fortgeschritten sind, dass die Lösungssuche aus dem Zentrum herauswandert und Heilsversprechen am Rand gesucht werden. Das ist bedrohlich für Europa. Da ist Griechenland jetzt auch eine Versuchsstation, wie Europa gelingen kann und wie wir mit Krisen umgehen. Ich habe kein Patentrezept, ich finde das aufrechte Ringen der Partnerstaaten in der Europäischen Union mit Griechenland richtig. Ich habe keine bessere Alternative. Man muss schauen, was kann jede Seite der anderen zumuten, da ist keiner frei von Schuld und von Verantwortung. Es wird nur miteinander gehen können. Und ich sehe auch nicht, dass das Problem gelöst ist mit: „Jetzt hauen wir’s ausse!“ oder mit „Verhaften wir endlich diese Oligarchen und melken sie, und das Finanzproblem ist gelöst!“ Solche Reflexe sind verständlich. Die wohnen auch in mir. Aber sie führen nicht zur Lösung. Die Welt ist etwas komplexer als unsere Reflexe.

    Peter Klein: Also auch hier die Forderung nach dem „ganzheitlicheren Blick“?

    Matthias Strolz: Absolut. Und gleichzeitig ist wahrscheinlich in jedem Reflex ein Körnchen Wahrhaftigkeit, das auch hilfreich für das Lösungsbild ist. Dieses wird nämlich ein Mosaik sein. Und da müssen wir uns Schritt um Schritt hin ringen, zu diesem Lösungsbild.

    Peter Klein: Ich könnte mir vorstellen, Matthias Varga von Kibéd würde dazu sagen, das von Ihnen angesprochene Körnchen Wahrhaftigkeit in jedem Reflex so zu würdigen, wie Sie es tun, entspricht ganz dem Menschen- und Weltbild von Marshall Rosenbergs „Gewaltfreier Kommunikation“, den viele als eine Ergänzung des Systemischen Ansatzes sehen. Allein dies wäre ein kongressfüllendes Themenfeld.

    Kommen wir zu einem anderem Thema: Welche Assoziationen bekommen Sie zu dem Zitat: „Wir arbeiten in den Strukturen von gestern mit Methoden von heute an den Problemen von morgen.“ Fällt Ihnen dazu etwas ein?

    Matthias Strolz: Ja, das macht Sinn. Allein, wir haben die Methoden von morgen noch nicht, weil wir heute leben. Mir fällt dazu die „Theorie U“ von Otto Scharmer ein, mit der Frage: „Wie kommt das Neue in die Welt?“ Jedenfalls nicht linear, sondern es folgt einer gewissen Kurvenbewegung, mit einem Dreischritt. OPEN MIND: meinen Geist offen halten – OPEN HEART: meine urmenschliche Qualität, mein Herz offen halten – OPEN WILL: gleichzeitig zielorientiert und willenlos sein. Das ist etwas, was für den abendländischen Verstand schwer verständlich ist, weil es ambivalent oder gar als Widerspruch daher kommt. Aber das sind genau die Spannungsbögen, die wir auch in unserer Organisation bauen.

    Peter Klein: Im Systemischen Ansatz könnte man hier auch mit dem Tetralemma (das Eine – das Andere – beides – keines von beiden – und auch dies nicht – und selbst das nicht – das Neue) arbeiten. Können Sie praktische Beispiele dazu nennen?

    Matthias Strolz: Wir kombinieren Neueinsteiger mit Erfahrenen, Partizipation mit Leadership, Professionalität mit Idealismus. Alles Dinge, die sich auf den ersten Blick für viele ausschließen. Ich glaube, wenn man diese Offenheit hat, dann wird man auch die Probleme von morgen mit immer neuen Ansätzen, Methoden und Instrumenten lösen können.

    Systeme haben eine Außengrenze, damit sie sich selbst begreifen können und um in der Komplexität des Lebens nicht verloren zu sein. Gleichzeitig braucht es diese gewisse Offenheit um mit den relevanten Umwelten gut verbunden zu sein. Verbundenheit ist eines meiner Kernthemen, das mich in meinen zwei letzten Büchern beschäftigt hat.

    Peter Klein: Das Zitat hat noch eine Fortsetzung. Ich wiederhole den ersten Teil: „Wir arbeiten in den Strukturen von gestern, mit Methoden von heute, an den Problemen von morgen.“ Die Aussage geht weiter: „Mit Entscheidungs-trägern, die in Kulturen von vorgestern aufgewachsen sind und das Übermorgen in Politik und Wirtschaft nicht mehr erleben werden“. Kennen Sie solche Menschen?

    Matthias Strolz: (lachend) Ja natürlich. Ich habe am Anfang, im ersten Jahr unserer Bewegung oft gesagt, ich glaube, wir selbst, wir die Neuen, werden in zehn Jahren alt ausschauen. Dieses Empfinden ist jetzt erstaunlicherweise nicht mehr so stark. Wir sind damals aus dem Boden geschossen wie die Schwammerl nach dem Regen, gemeinsam mit zig anderen Initiativen und Bewegungen. Ich habe in unseren ersten Monaten mit rund 25 Bewegungen zu Parteigründungen Kooperationsgespräche geführt. Im politischen Eck ist diese Gründer-Phase abgeklungen, zivilgesellschaftlich nicht. Ich hatte das Empfinden, wir sind Teil einer systemischen Welle, einer größeren gesamtgesellschaftlichen Bewegung. In diesem Ansatz sehe ich uns – bei gleichzeitig vielen Unterschieden – mit der Piraten-Bewegung verwandt. Wir sind beide Kinder einer großen Welle, die über den Planeten geht: „sharing“, der Wunsch nach Teilhabe. Da entstehen Phänomene, vom Arabischen Frühling über Twitter, Facebook, bis hin zu Wikipedia. Wer hätte vor 15 Jahren geglaubt, dass nicht Hochschulprofessoren Enzyklopädien schreiben, sondern das Volk. Wir hätten gelacht vor 20 Jahren, weil wir den Brockhaus im Regal hatten. Den wirst du heute in keinem Studierendenhaushalt mehr finden. Also, ich weiß nicht, warum es verflogen ist, das Gefühl, dass wir in zehn Jahren alt ausschauen. Vielleicht, weil wir zu stark im operativen Tun gefangen sind. Anyway, wir werden’s ja ohnehin erleben.

    Peter Klein: Gibt’s eigentlich eine vergleichbare Partei zu den NEOS in Deutschland? Ich habe keine gefunden.

    Matthias Strolz: Nein, ein Äquivalent gibt’s nicht. Das sehe ich nicht in Deutschland. Natürlich sind wir, weil wir uns bei der liberalen europäischen Dachfamilie ALDE eingeordnet haben, in gutem Kontakt mit der FDP. Die ist aber vom Grundverständnis her eine ganz andere Organisation. Da sind im Selbstverständnis Welten dazwischen. Wir teilen jedoch die Kernwerte Freiheitsliebe und Eigenverantwortung. Mit der Best Party in Island waren wir in Kontakt. Die sind ein Erlebnis und die Gründungsgeschichte mit etlichen Künstlerinnen und Künstlern ist eindrucksvoll. Sie sind mit der nationalen Auskoppelung „Bright Future“ nun auch in der liberalen ALDE-Familie. Mit der D66 in den Niederlanden werden wir in den nächsten Monaten stärker in den Austausch gehen. Da gibt es weltanschaulich und von der Gründungsgeschichte her viele Parallelen. Allerdings gegründet 1966. Mit der Piraten-Bewegung teilen wir das Schicksal, dass wir beide Kinder des 21. Jahrhunderts sind. Das ist nicht unwesentlich. Zu den Grünen haben wir den Bezug über die Nachhaltigkeit und auch durch ihre Geschichte: sie waren die letzte große Erhebung, auch in Deutschland, die es wirklich – in einem langwierigen und schwierigen Prozess – geschafft hat, sich als wichtige politische Kraft zu etablieren.

    Peter Klein: Meine letzte Frage geht persönlich an den Menschen Matthias Strolz. In Ihren Büchern finde ich eine Tiefgründigkeit mit vielen Möglichkeiten heraus. Sie waren Berater und hätten vielleicht, in Anspielung auf die Wurzeln der Aufstellungsarbeit, auch Familientherapeut werden können. Sie hätten viele Möglichkeiten gehabt. Wieso ist es dann die Politik geworden?

    Matthias Strolz: Weil ich einer inneren Notwendigkeit gefolgt bin. Die kann ich mir nicht aussuchen. Nur in dem Sinn, das ich entscheide, zu sagen: „Ich mache es!“ oder „Ich mache es nicht!“. Der innere Ruf ist deutlich und er ist über die Jahre immer deutlicher geworden. Ich war gerne zwölf Jahre Unternehmer und habe viel unternehmerische Energie. Aber es wurde von Jahr zu Jahr klarer, dass die politische Energie, die politische Mission, noch viel größer ist. Mir – schlussendlich auch meiner Frau – war dann irgendwann bewusst, dass der Preis, den man zahlt, wenn man seine Berufung und seine Talente verrät, wohl größer ist als das Risiko in der Spitzenpolitik verbogen zu werden. Natürlich habe ich Angst gehabt vor der Politik und davor, das Leben komplett auf den Kopf zu stellen. Es war sehr viel Angstlust. Und ich konnte den Schritt erst tun, als die Lust größer war als die Angst. Dazu musste ich vieles ins Reine bringen, vor allem auch mit mir selbst.

    Peter Klein: Das kann ich gut nachvollziehen. Wir haben jetzt bei Integral Systemics ca. 300 Coaches ausgebildet. Am Anfang dachte ich, jeder muss Aufstellungsleiter werden. Heute bin ich froh, dass viele nach einem Ausflug in die Selbstständigkeit, z. B. wieder als Unternehmer oder Führungskräfte arbeiten. Denn es braucht Unternehmer, die aus einem systemischen Ansatz heraus operieren – und sicherlich auch Politiker. Gab es für Sie einen besonderen Schlüsselmoment bei der Offenbarung der Berufung?

    Matthias Strolz: Es gab zum Beispiel einen „luziden Traum“, mit der Botschaft: Ich bin ein Gärtner des Lebens. Das ist mein Lied des Lebens.

    Peter Klein: Ein spannendes Thema, denn darum geht es auch auf unserer infosyon-Tagung an der Sigmund-Freud-Universität („Neue Träume und Visionen braucht die Wirtschaftswelt“). Darüber müssen Sie bei der Tagung mehr erzählen … Und man könnte den Traum deuten … Prof. Mendelssohn wird dort auch „Sozial Dreaming“ vorstellen – kollektive Aspekte von Träumen, die über das Individuum hinausgehen.

    Matthias Strolz: Ja, das wäre spannend. Mein Auftrag ist mir klar: Ich kultiviere soziale Felder. Als Gärtner des Lebens liegen meine Felder direkt nebeneinander. Ich bin Unternehmer, Vater, Autor, Politiker … Ich habe ein Buch dazu begonnen, aber der Zeitpunkt ist noch nicht reif es fortzusetzen und zu publizieren.

    Peter Klein: Und gleichzeitig schlagen Sie damit eine Brücke zur Aufstellungsarbeit, die Matthias Varga von Kibéd mit einem nach außen gerichteten Klartraum vergleicht…

    Matthias Strolz: Ich habe gelegentlich, alle paar Monate, einen sehr klaren Traum, bei dem ich spüre, das hat jetzt eine ganz andere Qualität als andere Träume. Dann ist mir die Botschaft oft auch recht klar. Das kann man sich jetzt einbilden oder nicht. Mir gibt’s Klarheit. Dieser damalige Traum war sehr eindrucksstark. Eine lange, prächtige Geschichte. Ich habe den Traum dann niedergeschrieben. Vier Seiten lang: Du bist ein Gärtner des Lebens. Kultiviere Lebendigkeit in all ihren Ausprägungen. Und das mache ich nun: als Vater, als Schreiber, als Nachbar, als Politiker … Das ist alles nicht so weit auseinander. Ganz im Gegenteil. Es ist alles verbunden.

    Internationale Aufstellungskongress an der SFU: 120 Jahre Traumdeutung
    “Neue Träume braucht die Wirtschaftswelt”
    am 24. bis 26. Juli 2015

    Infosyon in Kooperation mit der Sigmund-Freud-Universität und Integral Systemics –unterstützt von ÖFS, SySt-Connect, WKO und Mittelstandsvereinigungen

    Key-Note Speaker: Dr. Matthias Strolz, Vorsitzender NEOS – Das Neue Österreich

    http://www.profikom.de/dokumente/Neos_Das neue Österreich.pdf
    (Hinweis: Artikel in „Bestseller“ http://www.horizont.at/uploads/media/16-22_Coverinterview_doppel.pdf
    http://www.profikom.de/dokumente/Infosyon_Kongress_Flyer_2015.pdf
    www.infosyon.com 

     

    Dr. Matthias Strolz
    NEOS Vorsitzender

    Als Klubobmann und Bildungssprecher möchte er den Stillstand beenden, der die Zukunft Österreichs bedroht: „Faire Chancen für die Jungen! Machen wir unsere Pensionen enkelfit und unser Bildungssystem erfolgreich – so heben wir allen Kindern die Flügel!“

    • Bergbauernbub aus Vorarlberg, Ehemann, Vater, Unternehmer, Politiker, Bücher-Schreiber, Neugieriger…
    • Seit 10/2012 Vorsitzender NEOS
    •  2008-10/2012 Geschäftsführender Gesellschafter promitto gmbh
    •  2001-2008 Geschäftsführender Gesellschafter ic2 consulting GmbH
    •  Seit 2002 systemischer Organisationsentwickler und Lehrbeauftragter an Universitäten und in Master- Lehrgängen

    https://neos.eu

    Peter Klein

    infosyon Vorstand (koopt.)

    infosyon e.V. unterstützt und vernetzt Menschen in einem internationalen Netzwerk, die sich für den professionellen und kontextsensiblen Einsatz der Systemaufstellung für zentrale Fragen in Organisationen stark machen.

    Dafür gestaltet infosyon interdisziplinäre und interkulturelle Kommunikationsräume, die den fruchtbaren Dialog zwischen Beratern, Organisationsinternen und Forschern fördern.

    • Vorstand Forschung und Entwicklung (koopt.) bei infosyon (Internationales Forum für System-Aufstellungen in Organisationen und Arbeitskontexten)
    • Geschäftsführer von Integral Systemics
    • Buchautor „Integrale Aufstellungen Innere Form“, „Das Aufstellungsbuch“, „Buddha, Freud, Falco -Szenische Aufstellungen im kollektiven Bewusstseinsfeld“, „Die Leiden des Westens“
    • Operativ vermittelt er international, als Berater, Trainer, Coach, Ausbildner Integral-SystemischeAnsätze. Hauptstandorte: Wien, Zürich, Nürnberg.

    www.integral-systemics.com

    Wir von INTAKA bedanken uns bei infosyon für die Erlaubnis zum Abdruck.

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