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    Nachgefragt

    Interview von Diakonin Esther Schmidt mit Gerhard Gigler

    Seit zwei Jahren besuche ich im Haus Werdenfels in Nittendorf eine Weiterbildung zur Gestaltpädagogin. Die einzelnen Kurswochen haben die unterschiedlichsten Themen. Als wir das Thema für die Diva rausgesucht haben, habe ich mich an unsere Kurswoche zum Thema “Botschaften/ Elternbotschaften” erinnert. Ich habe diese Woche wie eine eigene Auferstehung erlebt.

    In Gesprächen mit anderen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern habe ich gemerkt, dass es anderen auch so ging Da hab ich mich gefragt, ob es da irgendeinen fachlich-psychologisch- gestaltpädago-gischen oder sonstigen allgemeinen Hintergrund gibt und beschlossen, meinen Ausbildungsleiter Gerhard Gigler zu fragen.

    Esther Schmidt

    Eine Woche Elternbotschaften, wie die eigene Auferstehung… da hab ich mich gefragt, ob es da irgendeinen fachlich- psychologisch- gestaltpädagogischen oder sonstigen allgemeinen Hintergrund gibt. Was kannst du mir dazu sagen?

    Gerhard Gigler

    Tja, das ist wirklich eine reizvolle Fragestellung, denn Elternbotschaften prägen uns ja unser ganzes Leben und wir beeinflussen uns damit.

    Die Botschaften, die wir durch unsere engsten Bezugspersonen erfahren haben, begleiten uns – gewisser-

    maßen wie kleine Engel oder Teufel

    (ui – ist das evangelisch :-)!) auf

    unserer Schulter, die uns einflüstern:

     

    “Steh früher auf”, “Morgenstund´ hat Gold im Mund”, “Du bist ja einfach klasse und ein tolles Kind”, “wer nix leistet, ist auch nichts wert”, “dir muss es gut gehen, das ist das Wichtigste”, und so weiter.

    Viele dieser Botschaften kennen wir und sie wirken oft ohne dass wir uns derer bewusst wären.

    Botschaften kommen in unsere Seele, aber nicht nur durch das gehörte Wort, sondern auch durch den Körperkontakt, die Art, wie wir berührt wurden und durch die Atmosphären in der Familie.

    Hat mich die Mutter angesehen beim Wickeln und mich sanft angefasst oder hart zugepackt in Eile und Hetze und währenddessen vielleicht zudem noch mit dem Vater gestritten und ihn angesehen.

    „Das Leben packt hart zu!“, „Das Leben ist zärtlich zu mir!“, „Sich ständig hetzen, ist normal!“, „Sich Zeit nehmen und Zeit lassen tut der Seele gut!“ – all diese Botschaften wirken in uns schon früh, ohne das gehörte Wort, dringen in uns ein und prägen uns.

    All das ist gemeint, wenn wir von Elternbotschaften oder Beliefs sprechen. Es sind Überzeugungen, die unser Leben prägen. Sie wirken positiv oder negativ in unserem Leben.

    Die gute Nachricht: wir können diese verändern! Wir können uns neu prägen! Reimprinting heißt das Stichwort und viele Verfahrensweisen aus der Gestaltarbeit, aus dem NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren), aus der Systemischen Verfahrensweise u.v.a. beschäftigen sich damit.

    Jede Prägung, die uns niederdrückt, kann neu geprägt werden und das Niedergedrückt-werden, kann sich in Aufgerichtet-werden verändern. Neue Botschaften setzen neue Ressourcen frei und zugleich neue Wahlmöglichkeiten für das alltägliche Leben. Neue Erlaubnisse sind die Basis und eine Coachee drückte dies in einer Coaching-Sitzung einmal so aus:

    “Ich darf auch mal nix tun und bin trotzdem wertvoll und liebenswert, das erlebe ich plötzlich und es tut so gut.

    Und stellen Sie sich vor, mein Mann mag mich noch mehr, wenn ich diese Seite lebe. Ich hätte das nie geglaubt. Und ich stelle mir manchmal vor, dass sogar Gott blinzelt, wenn ich mal richtig lange und kuschelig mit meinem Mann im Bett liegen bleibe”.

    Das Gottesbild hängt sehr eng mit unseren Beliefs und Elternbotschaften zusammen und treffender kann man es nicht ausdrücken, als diese Klientin es tat. Was ich glaube, beeinflusst mich und blockiert mich oder setzt enorme Energien in mir frei.

    Der Glaube versetzt nicht nur in der Bibel Berge, sondern tut dies noch heute. Und wenn der Berg, die Belastung, der Stein versetzt oder weggerollt ist, bleibt die Auferstehungsbotschaft nicht nur im Kopf, sondern wird spürbar und das Schönste ist: sie wird leb-bar.

    Esther Schmidt

    Also ich kann mich noch an das Gefühl erinnern, als wir die Belastung weggerollt haben. Erstmal natürlich die Arbeit in den Gesprächsgruppen und dann diese Körperübung, die Schwester Adelind mit uns gemacht haben. An ihre Worte kann ich mich leider gar nicht mehr erinnern, nur an die Bewegungen und das Gefühl.

    Da ging es doch darum, neu geboren zu werden – also aufzuerstehen. Oder???

    Und anschließend haben wir uns mit neuen Botschaften – mit Gottes Botschaften an uns – beschäftigt. Eine Therapeutin hat übrigens auch mal zu mir gesagt, wenn ich ein altes negatives Gefühl gelöscht habe, ist da Platz für ein neues positives Gefühl. Das aber nur am Rande.

    Wie kann man denn die neuen Botschaften/die neuen Erlaubnisse/die Auferstehung pflegen und bewahren?

    Gerhard Gigler

    Ja, liebe Esther, das ist tatsächlich eine ganz spannende Frage, wie man sich Neues bewahrt.

    Zunächst mag ich aber nochmals einen Schritt zurück, nämlich zum Kreieren des Neuen. Wichtig erscheint mir dabei, dass zuerst mit den alten Botschaften, den alten Beliefs, den alten Gefühlen, gut umgegangen wird. Denn die haben den einzelnen ja lange begleitet, waren gewissermaßen Wegbegleiter, die uns auch unterstützt haben, das zu werden, was wir heute sind.

    Beispielsweise war da das Gefühl immer was leisten zu müssen, um geliebt zu werden. Und natürlich sage ich mir heute “Nein, so darf das nicht mehr sein, ich bin nämlich auch wertvoll, wenn ich nichts leiste”. Das kann ich mir sagen, jedoch ist das noch nicht im Gefühl verankert. Nur die neue Info allein wäre zu wenig.

    Sonst bräuchte man ja auch einfach immer nur mit der Ratio appellieren und alles wäre in gute Bahnen gelenkt. Es würde reichen zu sagen: “Schaut, bekriegt euch nicht, das ist viel vernünftiger, weil wir alle an einer neuen ökologisch-ökonomisch-sinnvollen Werteordnung bauen könnten etc. “. 

    So funktionieren wir aber nicht. Appelle an die Vernunft wirken nicht, zumindest nicht langfristig. Waffenruhen halten erfahrungsgemäß nur Stunden oder Tage – und mit der Waffenruhe in uns ist es meist ebenso. Schnell sind wir wieder dabei die alten Kämpfe in uns zu kämpfen. Das Limbische System in unserem Gehirn, das gewissermaßen die Gefühlsinstanz ist, ist etwas schneller und bestimmt darüber, wie wir handeln. Selbst, wenn wir meist sagen, das habe ich vernünftig gelöst, mir gut ausgedacht, logisch-analytisch schlau reflektiert usw. – letztendlich lag die Steuerung aber eben doch im Gefühlsbereich. Die Erfahrung zeigt also, dass was anderes wichtig ist, als das Appellieren an die Ratio:

    Wenn das alte Muster nicht gewürdigt wird, blockiert das System. Der alte Belief war für etwas gut, hat mich zu dem gemacht, der ich bin, hat positive Absichten gehabt für mich. Bei meinem oben genannten Beispiel hätte die betreffende Person in ihrem alten System nicht so gut gelebt oder überlebt, wenn sie sich nicht mit ihrem Leistungsbelief angepasst hätte. Das ist erstmal zu würdigen.

    Wertzuschätzen welche schlauen Beliefs und Muster man als Kind entwickelt und kreiert hat, um im alten System zu überleben, ist einer der goldenen Schlüssel. Nur dann ist der alte Kontext befriedet und muss nicht immer wieder mit dem alten Muster ausgelöst werden.

    Der zweite goldene Schlüssel ist es wohl, das Neue mit allen Sinnen zu erfahren, zu erleben. Deshalb auch die Arbeit mit Körperübungen, Trancereisen, multisensorischen Achtsamkeitsübungen u.v.m. Nur so kommt das Neue ins Gefühl. Klar, dass da zudem eine tragende Gemeinschaft einen hohen Stellenwert hat. Kann das Neue schon vor anderen gezeigt und gelebt werden, potenziert dies das positive Erleben.

    In einer Gemeinschaft zu erleben, wie es mir mit dem Neuen ergeht und zu sehen, dass andere an ähnlichen Punkten sich entfalten, setzt synergetische Energien frei, die tatsächlich geteilte Freude und geteilte Neuerfahrung zur mehrfachen Neuerfahrung in sich selber aufleuchten lassen, so wie eben das Licht nicht weniger wird, wenn man mit der Osterkerze eine andere Kerze anzündet.

    So ist es eben gerade meine Erfahrung, dass kein altes Gefühl, kein altes Muster gelöscht werden muss, sondern es darum geht, dies neu zuzuordnen und zu würdigen, weil es dem alten Kontext gedient hat, um zu erfahren, dass genau das dem Neuen die Erlaubnis gibt, im neuem Kontext gelebt zu werden. So entstehen mehr Wahlmöglichkeiten in meinem Leben.

    Ich gebe also damit dem neuen Belief die Möglichkeit, sich in mich zu verlieben und umgekehrt. Und das geht bekanntlicherweise dann nicht, wenn da noch was Altes rumort und keine Ruhe gibt. Das Alte gut versorgt zu wissen und wertzuschätzen, das ist an dieser Stelle ein Lösungsangebot, dass dem Neuen erst Raum verschafft.

    Esther Schmidt

    Ich möchte es nochmal anders ausdrücken. Für mich geht’s um Annahme. Mich und meine Beliefs anzunehmen, aber auch mich von ihnen zu verabschieden. Dann erst ist Platz für Neues. Damals waren sie gut und wichtig, jetzt ist was anderes dran.

    Diese Veränderung habe ich und auch andere aus der Gruppe als eigene Auferstehung erlebt. So haben wir es ausgedrückt.

    Was möchtest du abschließend noch sagen?

    Gerhard Gigler

    Oh ja, zu sagen gäbe es dazu natürlich noch viel. Was ich aber gerade noch sagen mag, ist das, was mir selber im Moment wiedermal so deutlich wird. Ich spüre immer wieder und jetzt auch gerade, wie dankbar ich bin, dass ich mit meinem Beruf immer wieder dabei sein darf, wenn Auferstehung spürbar wird.

    In all den Ausbildungen, die ich mit meinem Team bei INTAKA, der Integrativen Akademie für Bildung und Coaching oder im Haus Werdenfels mit Sr. Adelind anbiete, ist das so.

    Ob dies Gestaltpädagogik ist, oder NLP, die Ausbildung zum Coach oder zur Supervisorin, die wingwave®-Coach-Ausbildung oder zum NSC®-Neurosystemischen Coach, die Psychotherapieausbildung oder die Ausbildung zum Systemischen Aufsteller, egal was es ist, es geht doch immer wieder um eins: es geht darum neu zu werden, neu zu spüren, sich neu zu (er)leben.

    Und das Schöne ist auch, egal wo. Ich mache ja auch Ausbildung im interkulturellen Setting in unserem INTAKA-Caribbean-Center auf Kuba.

    Teilnehmer/innen sind dort abenteuerlustige Deutsche und Latinos, Caribeñas, vor allem auch Kubaner, die eine sehr andere Mentalität und Lebenswelt in und um sich haben und zum Teil ein sehr anderes religiöses afro-kubanisches Verständnis (Santeria), und auch dort geht es um das Eine. Es geht um Auferstehung und es macht mich immer wieder dankbar, dass ich zum Vertrauen ins Leben hinein begleiten darf.

    Deshalb ganz herzlichen Dank auch für dieses Thema und dieses Interview.

    Esther Schmidt
    Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.

    Esther Schmidt
    Diakonin, Dipl. Sozialpädagogin (FH), Gestaltpädagogin

     

    Gehrard Gigler
    INTAKA-Akademieleiter, M.A. Mythenforschung / Religionswissenschaft, Supervisor, DGSv, NLP-Lehrtrainer, DVNLP, Fellow Member Trainer, IANLP, Lehrcoach, Master Systemischer Coach, ECA,  Systemischer Organisationsentwickler, BD, Master-Trainer, ECA, Lehrcoach und Lehrtrainer, ECA, infosyon zertifizierter Master-Trainer, Integrativer Gestaltsupervisor, -trainer, -berater, und -pädagoge, IIGS, IGB, Heilpraktiker für Psychotherapie, HPG, Klientenzentrierte GF, GwG, Transaktionsanalytische GF, DGTA, Psychodrama, MORENO, Systemische Organisationsaufstellungen und Constellation Work, MF, wingwave®-Coach, wingwave-Lehrtrainer.

    • Gründungsmitglied GPS und IGB
    • Gründer und Leiter einer Beratungsstelle für Supervision und Coaching
    • Leiter des Ausbildungsausschusses und Qualitätssicherung, IGB
    • Beauftragter für die Bundeskonferenz der Supervisor/innen
      und Coaches der Diözesen
    • Leiter des Kompetenzteams zur Curriculum-Erstellung
      für SV-Ausbildungen der DVNLP
    • Vizepräsident bei der ECA European Coaching Association
    • infosyon-Board-Member: Qualitymanagement

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