Der hohe Stellenwert der Mückenelefanten in unserer Gesellschaft
oder: wenn die Moral der Geschichte mal Lockdown hat!
Der Mückenelefant wird manchmal in den Kühlschrank gesteckt, damit er zum passenden Moment wieder rausgeholt werden kann. Manchmal ermüdet ihn das schon, weil es anstrengend ist, dennoch ist er dieses Spiel schon gewohnt und deshalb spielt er es wirklich gut.
„Eigentlich warte ich nur schon wieder auf meinen nächsten Einsatz und dann geht´s wieder heiß her. Da es sonst so kühl ist, ertrage ich das dann wirklich ganz gut und bin ganz froh.“
Wie der Mückenelefant in diese Situation geriet
Die Geschichte vom Mückenelefanten ist eine eher traurige. Ich mute sie euch dennoch zu, denn ihr kennt diesen Artgenossen und er ist ein Begleiter, von denen es viele gibt und die sich unsichtbar zwischen den Menschen trollen.
Im Prinzip war er mal eine Mücke, ein lapidarer Satz, eine Bemerkung, eine kleine Anmerkung, ein Gedanke oder eine Idee, die groß werden wollte. Frau Huber zum Beispiel sagte diesen einen Satz zu Herrn Huber und schon als die Mücke ihn anflog, prallte sie irgendwie ungeschickt hart auf. Wir wissen gar nicht wieso. Aber irgendwie entsprach schon genau dieser Aufprall nicht dem Aufprall einer leichten Fliege oder Mücke, sondern war eher sowas, wie der Aufprall eines dicken Brummers auf einer Fensterscheibe im Sommer. Wenn man direkt daneben sitzt, erschrickt man kurz. Manchmal weicht man mit dem Kopf sogar instinktiv und ruckartig aus, obwohl ja eine Fensterscheibe dazwischen ist. Kennt ihr das?
Also die Mücke war echt nix anderes als das Wort „immer“: „Dass du mich auch immer so doof anreden musst, wenn unsere Tochter dabeisitzt“, war der Satz. Der Brummer, der sich wie eine Hummel anfühlte, war aber das Wort „immer“. Und Hummeln sind doch in echt gar nicht so schrecklich.
Ehrlich gesagt, das Wort „immer“ ist aber schon eher ein ziemlich fetter Brummer. Ne Hornisse vielleicht. Also etwas, das richtig tief reinziehen kann, denn was ist schon „immer“? Die Ewigkeit vielleicht, aber daran wollen die meisten ja eher nicht erinnert werden, weil sie dann an sowas wie „immer tot“ denken müssen. Aber gut. Der Hornissenbrummer war nun jedenfalls mal da und nun ahnte Herr Huber sofort: „Aus diesem Brummer lässt sich noch mehr machen!“. Also eher das Unbewusste dachte das möglicherweise und das ist ja auch meist verdammt schnell und geschickt zudem. Es sucht sofort nach Wegen, um mit einer Situation zurecht zu kommen. Manchmal sind es erstmal auch sehr alte Wege, denn die sind schon so ausgetreten, dass man darauf gut laufen kann.
Na ja, jedenfalls schaute Herr Huber nicht schlecht und dachte sich: „Na gut, wenn das schon mal so daher kommt, dann kann man das auch nutzen.“ Nun weiß ich echt nicht, ob Herr Huber dies bewusst dachte oder sein Unbewusstes. Vielleicht, war da auch noch eine alte Verletzung, die ihn anstachelte. Manchmal wird einem nämlich fast richtig übel, wenn so eine Hornisse auf der gleichen Stelle sitzt, an der man schon mal gestochen wurde – und das kann sogar dann der Fall sein, wenn der Stich schon mehrere Jahre her war. Irgendwie kennen Hornissen keine Zeit, glaube ich. Manchmal fühlt es sich auch so an, wie Kekskrümel, die auf der Seele, wie in einem Bettlaken rumkitzeln und kratzen. So winzig klein und doch so unangenehm im Schlaf-T-Shirt, vor allem, wenn man eh gerade an Unangenehmes denkt. Und das tat Herr Huber gerade als der „Immerbrummer“ kam, denn er ärgerte sich gerade, dass das Frühstücksei viel zu weich gekocht war. So weich, dass es ihm beim Aufschlagen gleich über die Finger spritzte. Na ja, manche lachen darüber. Herr Huber konnte an diesem Tag nicht darüber lachen, weil er schon zu spät dran war und eigentlich keine Zeit hatte.
Nun fing Herr Huber also an, etwas „wirklich Richtiges“ aus dem Brummer machen zu wollen und das hieß ihn aufzuladen. Also von wollen kann oft nicht die Rede sein, denn manchmal muss man einfach. Und in echt – das wisst ihr – kann man alles aufladen. Zum Beispiel auch die Bemerkung eines Zeitgenossen, dass Herr Gato aus Corona sicherlich Kohle machen möchte und sicher die Situation ausnutzen will. Wenn man diesen Brummer auflädt, kann er dann irgendwie so verstanden werden, dass Herr Gato die Weltherrschaft möchte und wir alle seine Sklaven sind.
Aber zurück zu Frau und Herrn Huber. Aufladen kannst du solche oben erwähnte „Immerbrummer“ nun mit Vielfältigem: Alte Stories von damals, die eigentlich schon Schimmel angesetzt hatten, aber halt immer noch rumlagen. Oder mit Vorwürfen, die schon lange unabgeholt in einer Ecke saßen, deshalb eher mies dreinschauten und mit den Hufen scharrten. Was sich auch sehr gut eignet, sind Unterstützer, also andere Personen. Sie sollten entweder nicht anwesend sein oder man muss sich deren Solidarität sicher sein. Es eignen sich auch nicht anwesende Personen, die eh niemand mag – oder nur Herr Huber mag sie –, aber sie müssen schon einen gewissen Autoritätsgrad besitzen oder zumindest in diesem Kontext passend erscheinen. Ist man schon ans innere Kind vorgedrungen beim Gesprächspartner, oder man weiß, dass dieses sofort aufspringt, können es auch Menschen von früher sein. Wenn die Aufladung zum Beispiel beginnt mit „…deine Mutter hat auch immer schon gesagt, dass du…“, haben wir eine wunderschöne Einleitung gefunden, um mit regressiven Mustern aufzuladen und fortzufahren. Dann ist das wie ein wunderschöner kleiner Ausflug in die Vergangenheit und man räumt einmal so richtig durch. Das kann echt Spaß machen, auch wenn es keine Gewinner gibt, aber ist nicht der Weg das Ziel? Also so ein Trip in die Vergangenheit eignet sich echt ganz wunderbar, um alte Schatztruhen eines wunderbaren Waffenarsenals zu öffnen. Es sind zwar eher überalterte Instrumentarien, diese stellen aber sicher, dass nicht zu vorschnell eine Lösung gefunden wird oder diese Lösungs-Richtung zumindest nicht zu früh angezielt wird. Das würde ja den Mückenelefanten töten, bevor er entsteht. Wäre dies nicht ein grausames unerledigtes Unterbrechen von kleinen aufwachsenden Elefantenbabys? Wie käme man sich denn dabei vor? Nahezu wie ein Verlierer, klar, zumindest wie jemand, der nicht fähig ist ein kleines Lebewesen groß werden zu lassen. Also Herr Huber jedenfalls entschied sich für den korrekten und vernünftigen und natürlich logischen Weg: weiter aufwachsen lassen, nicht schuld sein am Elefantenbabymord, sondern mit ihm mächtig werden. Übrigens kann man auch bei gesellschaftlich relevanteren Themen – wie zum Beispiel Corona – auf altes zurückgreifen. Da gibt es wunderbare Muster. George Orwell eignet sich ebenso gut, wie alte Science Fiction Filme. Am beliebtesten ist aber er: Hitler. Und natürlich seine ganzen Zeitgenossen, die gesamte Epoche und seine Partei. Wer will denn schon, dass dies nochmals auf dem Spielfeld der Geschichte auftritt? Also kann man damit gut aufladen und man tut dabei noch Gutes, denn man warnt. Dass man dabei etwas aus der Vergangenheit in die Zukunft zieht und sich selber mitbeteiligt, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass man dies erneut kreiert, ist dabei ja egal. Es geht ja nun mal um etwas Entscheidendes im menschlichen Leben: um die Spielfreude.
So wird der Mückenelefant er also weiter aufgeblasen und der Rüssel wird an der Stelle des Mückenstachels schnell sichtbar und immer größer. Bis es schließlich soweit ist und der Mückenelefant richtig ausgewachsen wirkt. Man kennt ihn schon. Er hat ja gewartet, abgekühlt in einer Kühltruhe, wartend auf den nächsten heißen Einsatz.
Damit kann man jetzt also gut operieren, und er wird eine tolle Performance zeigen im Zirkus der alltäglichen Wechselwirkung von Beziehungen – zwischen Paaren oder Gruppen oder in der Gesellschaft. Eine wunderschöne Einlage wird er präsentieren, die zumindest den erfreut, der Mückenelefanten mag. So kann man also davon ausgehen, dass es nun in der Manege erstmal rund geht, bis die Vorstellung irgendwann wieder abgerundet erscheint. Nach einiger Zeit kräht kein Hahn mehr danach, aber das Spiel hat den vorläufigen Zweck erfüllt. Vorläufig deshalb, weil es ja knapp vorbei geht, an dem, was man wirklich möchte. Von daher kann man davon ausgehe, dass es wieder von vorne beginnt, wenn alle richtig gut mitgespielt haben. Man kann den Mückenelefanten natürlich auch so richtig freilassen, also nach draußen lassen und das hat einen großen Vorteil. Er läuft unkontrolliert weg und man kann ihn nicht mehr wirklich steuern. Das macht besonders Spaß, weil er nämlich sogar in Netzwerke, die man als sozial bezeichnet, eindringen kann und man kann gewissermaßen zusehen, wie sich der Mückenelefant im sozialen Netz abzappelt und ob er es schafft, darin eine wirklich bedeutende Rolle zu spielen – dies macht man aber nur, wenn man besonders viel Spaß haben will. Es ist dann auch wichtig, dass man ihm einen Namen gibt und anders benennt. Nennen wir ihn mal Elemuck! Das hat den Vorteil, dass man nicht mehr weiß, wo er herkam, wem er eigentlich gehört und ihn gut ansprechen kann.
Soziale Aktivitäten mit Elemuck machen ja grad dann Spaß, wenn Applaus stattfindet, Pfiffe zu hören sind und am besten viele Worte, die in den gleichen Rüssel blasen. Wird das gemacht, wird Elemuck sogar noch stärker und kräftiger. Na ja, zumindest wirkt er so, er ist ja nur aufgeblasen, was aber erstmal niemanden stört, da man mit ihm ja gut spielen kann. Nachdem er sonst in die kalten Kühltruhe gesetzt wird, ist er zumindest froh, dass es wärmer wird.
Tierschutzvereine beschweren sich zwar auch regelmäßig über den Umgang mit ihm, aber wir wissen ja als gute Tierzuchtanstaltenveranstalter, dass die Lobby für diese Art von spielverderberischen Tierwohlverteidiger eher gering ist. So wird also weitergespielt, bis der Mückenelefant ein wenig verrückt geworden ist. Ist er es, dann kann man immer noch sagen „Ist ja nicht meiner!“. Ist er ganz crazy geworden, muss man dringend auf der anderen Pol-Skala eine andere Mücke finden, die sich aufblasen lässt und als Mückenelefant nutzen lässt. Das ganze System soll ja ausgewogen sein, denn Balance mögen wir ja alle. Es ist halt energieaufwändig das Spiel, aber gut, so ist das Leben nun mal. Wäre ja sonst langweilig. Und am Ende ist ja eh alles gut, sonst ist es eben noch kein Spielende.
Wie Elemuck die Situation beenden könnte
Na einfach ist das nicht, das sag ich euch. Vor allem könnte Elemuck sehr gut einen wirklich liebevollen Berater an seiner Seite brauchen. Alleine ist das nämlich oft schwierig. Alleine erkennt man oft ja nicht einmal die Immerbrummer, von wegen die regressiven Spielvarianten. Und wenn das Ganze vom Unbewussten genährt ist – und seine wir uns doch mal ehrlich: jede Mücke sticht etwas tiefer – dann sind wir schnell dabei zu zucken, wenn ein Brummer aufprallt, obwohl uns ja wegen der Fensterscheib nix passiert. Es ist halt so eine Reaktion, die wir nicht abstellen können – wir können da echt nix für.
Also! Würde Elemuck wirklich sehen, wo er herkommt und seine Abstammung würdigen können, dann wäre natürlich schon viel gewonnen. Käme er nach einer Spielrunde nicht in den Kühlschrank, sondern in den Garten, wäre er schon viel glücklicher, denn dann müsste er sich nicht schon – wie ganz automatisch – auf heißere Situationen freuen. Natürlich könnten auch die beiden Mückenpole unter die Lupe genommen werden, um echt zu sehen, was jeder Pol eigentlich positives will. Na ja und solche Immerbrummer bräuchte es zwar nicht, dürfen aber doch auch am Leben sein. Wenn wir jede Hornisse töten würden, wäre das Gleichgewicht doch auch gestört. Aber wir sollten sehen lernen, dass uns die gar nichts tun, wenn wir sie auch in Ruhe lassen und ganz einfach mal nur wahrnehmen. Notfalls können wir ja dann immer noch zuschlagen. Und die Moral von der Geschicht? In echt stecken da jetzt so viele drin, dass ich deine eigene Moral kaputt machen würde, wenn ich die aufzähle, die Ich sehe. Also ist die Moral von der Geschicht, an dieser Stelle einfach mal nicht. Die hat nun mal „Lockdown“ und du kannst nun selber sehen, was du daraus machst.
Euch einen schönen Tag und Abend – möglichst ohne Mückenstiche und ohne Manegenspiele mit dir oder mit anderen und stell Futter in den Kühlschrank statt Mückenelefanten!
Gerhard Gigler