Blue-Ocean-Strategie statt Doping am Arbeitsplatz
von Gerhard Gigler
Laut der neuesten Studie einer deutschen Krankenkasse dopen sich 6,7 % aller Berufstätigen um fit zu sein am Arbeitsplatz, um die Präsentation vor Kolleg/innen zu bestehen, gut durch den Dschungel des stressigen Arbeitsalltages zu kommen, eigene Ängste zu überwinden, mit dem ständigen Erfolgsdruck klar zu kommen. Im Jahr 2008 waren es noch 4,7 %, die sich mit pharmakologischem Neuro-Enhancement (pNE) fit gemacht haben, also versucht haben mit neurologischer Selbstmedikation den Alltag besser zu bewältigen. Die Dunkelziffer liegt höher und man kann davon ausgehen, dass ca. mind. 3 Millionen Menschen in Deutschland zu den pNE-Dopern gehören. Methylphenidat, Modafinil, Betablocker, Antidementiva und Antidepressiva sind einige Beispiele und Nebenwirkungen sind möglich, wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen, Stimmungsschwankungen oder Persönlichkeitsveränderungen.
Die Ziele dabei heißen bei Frauen vor allem „besser drauf sein zu wollen“ und bei Männern steht die Steigerung der Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Durch alle Hierarchieebenen geht dieses Problem in einer Organisation und betrifft nicht vordergründig den „pillenschluckenden Topmanager“. Laut vorliegender Studie steigt die Anfälligkeit für diese Art des Hirndopings mit der Unsicherheit des Arbeitsplatzes und der Einfachheit des Tätigkeitsfeldes. Prüfungen, Präsentationen, wichtige Verhandlungen und schwierige Kommunikationssituationen sind Anlässe dafür. Die Wirtschaftskrise erhöht den Druck im Berufsalltag zudem.
Da diese Arzneimittel für andere Indikationen zugelassen sind, kann von deutlich ansteigendem Medikamentenmissbrauch gesprochen werden. Die Langzeitwirkungen sind unbekannt. „Wer glaubt, immer perfekt sein zu müssen und verstärkt zur Leistungssteigerung auf Pillen zurückgreift, lebt gefährlich“, warnt Professor Dr. Herbert Rebscher von der Uni Bayreuth.
Die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin zeigt auf, dass sich 96 Stunden nach einer „Aufputschkur“ Symptome wie extreme Angst, Weinkrämpfe und Muskelzittern einstellen. Die Abhängigkeitsspirale hat damit ihre Chance und ein psychischer und physischer Zusammenbruch kann folgen. Die Langzeitfolgen sind – wie schon bemerkt – unklar.
Als Coach und Supervisor kennen wir diese Symptome und beschäftigen uns nicht nur damit, sondern vor allem auch mit den Hintergründen dieser Symptomatik. Die Unsicherheit am Arbeitsplatz nährt das Konkurrenzdenken und –gerangel, den Mangel an Selbstwertgefühl und den Selbstoptimierungswahn. „Sei perfekt!“, „Du musst alles geben!“, „Die anderen machen das besser!“, „Ich muss besser sein als die anderen, damit ich weiterkomme!“, „Die Versager werden den Arbeitsplatz verlieren!“, „Ich muss noch mehr aus mir machen!“, „Ich muss das was der andere macht, noch besser machen!“, „Der Chef verlangt beste Leistung!“ sind altbekannte Sätze. Das Ausmaß des medikamentösen Umgangs damit ist neu.
Ein Stichwort, das dem seriösen Coach und Supervisor bekannt sein dürfte heißt „Arbeitskraftunternehmer“. Damit bezeichnen die Soziologen G. Günter Voß aus Chemnitz und Hans J. Pongratz aus München einen neuen gesellschaftlichen Leittypus des globalen Kapitalismus. Entgrenzungsprozesse im Arbeitsfeld kommen damit in den Blick. Der neue Mitarbeiter ist nicht nur angestellt, sondern gerät in den Druck an seinem Arbeitsplatz zu denken und zu handeln wie ein selbstständiger Unternehmer – ohne dies zu sein. Viele Freiheiten ermöglichen heutzutage angenehme Seiten der Selbstorganisation am Arbeitsplatz. Jedoch hat jede Medaille bekanntlich 2 Seiten und die andere Seite bedeutet Druck:
Stärkere Selbstkontrolle ergibt sich aus der Verlagerung der Regulierung der Arbeitsprozesse durch die Leitungsverantwortlichen hin zur Vorgabe marktorientierter Ziele. Die Steuerung hin zu diesem Ziel muss der Arbeitnehmer dadurch selbst übernehmen. Selbst-Beherrschung und ständiges „am Ball bleiben“ – auch bzgl. technischer Medien – sind wichtiger als zuvor. Selbst-Ausbeutung ist der Pol der Negativübertreibung im Denken und Handeln im Sinne des Unternehmens. Die Folge ist eine permanente Selbst-Ökonomisierung, die eine gute Nutzung der eigenen Ressourcen aktiv vorantreibt und die eigenen Fähigkeiten und Leistungen produktiv und erfolgreich vermarkten muss. Eine Ent-grenzung findet vor allem auch statt, weil die eigene Lebensführung rationalisiert und vertrieblicht werden muss – die Grenzen zwischen Arbeit und Leben sind durchlässig geworden.
Laut o.g. Soziologen wird also der „neue Arbeitstypus“ im Vergleich zu früher in weitaus geringerem Maß institutionell reguliert in Bezug auf die konkreten Schritte. Jedoch sind die ökonomischen Zielvorgaben klar und es besteht eine hohe Freiheit darüber, wie diese zu erreichen sind. Der Druck zur Selbstdisziplinierung und Selbststeuerung steigt gleichzeitig mit dem Konkurrenzdruck.
Der Konkurrenzkampf erinnert mancherorts an ein Haifischbecken, das den Ozean rot färbt. Allein Mobbing kostet den Unternehmen schätzungsweise rund 12,5 bis 25 Milliarden (Mobbing-Repport und Deutscher Gewerkschaftsbund). W. Chan Kim und Renée Mauborgne sprechen in ihrer Methode aus dem strategischen Management dort von der „Red-Ocean-Strategie“, wo die üblichen Denkweise und Muster von Konkurrenz laufen.
Ihre Blue-Ocean-Strategie beruht auf empirische Studien über 15 Jahre mit der Analyse von mehr als 100 führenden Unternehmen. Diese konnten durch ihr neues Denken ungenutzte Teilmärkte erschließen und der bisherige Wettbewerb und Konkurrenzmotor wurde irrelevant.
In dem Moment, an dem ich mich nicht auf die bereits gesättigten Märkte konzentriere und überlege wie ich dort konkurrieren kann, sondern mich eben nicht am Wettbewerb orientiere, sondern an meinen eigenen Impulsen, werden innovative und kreative Kräfte frei, die mich in den Blue Ocean eintauchen lassen. Erfolgreiche Unternehmen handeln genau danach. Erfolgreiche Menschen auch. Das Überschreiten der üblichen Denkmuster und das Eintauchen in das Eigene und Spezifische, eröffnet neuen Raum.
Die Blue Ocean Maxime „win without fighting“ weicht dem üblichen Kampfdenken aus, da durch das spezielle Eigene neue Märkte geschaffen werden und Konkurrenz dadurch irrelevant wird. Doping wird nicht nur unnötig, sondern verhindert sogar das eigene kreative Element im eigenen Inneren zu finden, das Neues kreiert.
Dieses Konzept geht davon aus, dass in nur rund 20 % – 30 % des Marktes um die bestehenden Anteile gekämpft wird – mit allen Mitteln und eben auch mit pNE. Dagegen bleibt ein Markt von 70 % – 80 % als blauer und noch unerschlossener Ozean.
Wer INTAKA kennt, der weiß, dass unsere Blue Ocean Tendenz ausgesprochen stark ausgeprägt ist. Wir haben nicht nur eine Liebe zum türkis-blauen Ozean, der karibisch klingt, sondern eine grundsätzliche Unlust zum Konkurrenzgerangel. Unsere Leidenschaft bewegt sich im Ozean des Neuen und Kreativen, dessen, was uns Sinn verleiht und Lust auf Leben macht.
Pharmakologisches Neuro-Enhancement ersetzen wir durch das Doping der Lebenslust mit der zentralen Erlaubnis so zu sein wie ich bin. Dort wo ich mich so akzeptiere wie ich bin und nicht mehr verändern will, geschieht Veränderung und Neukreation, Erfindung und Innovation – automatisch und sinndurchflutet, wertorientiert und durchatmend. Diese Erkenntnis des Gestalttherapeuten Arnold Beisser integriert sich immer wieder neu in unser Verständnis von Veränderungsarbeit. Allzu oft erleben wir im Alltag unserer Kunden das genaue Gegenteil: den Druck anders werden zu sollen – damit wird gesunde Veränderungsarbeit verhindert.
Statt Doping lade ich Sie deshalb hiermit zu mehr MEER ein, nämlich zu mehr…
M ut, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu zeigen, statt sie peinlich oder unnormal zu empfinden….
Spüre, was dich glücklich macht!
… E rlaubnis eigene Ziele und Wünsche zu formulieren, statt den Erwartungen anderer entsprechen zu wollen…
Erlaube dir, was dich glücklich macht!
… E xpression deiner eigenen Meinung – spontan und von innen her geleitet, statt deine Impulse ständig zu unterdrücken…
Zeige, was dich glücklich macht!
… R isikobereitschaft im Hier & Jetzt statt sich 1000 x zu überlegen, ob das eigene Verhalten gewünscht ist und die Folgen für die Zukunft zu bedenken und sich zu sagen, dass das alles eh nicht geht…
Lebe, was dich glücklich macht!
Damit will ich nicht sagen, dass immer MEER glücklich macht – schließlich sind wir ja keine Fische 🙂 , mehr MEER allerdings schon!