„Ankern“ auch für Nicht-Seefahrer – Ressourcenvolle Zustände bewusst und zielgerichtet vergegenwärtigen
von Florian Herrmann
Wenn wir an einen Anker denken, assoziieren wir damit wohl alle erst einmal Begriffe wie z.B. ein Schiff, das Meer, oder einen Seemann. Um einen Schiffsanker soll es aber in diesem Beitrag nicht gehen, wobei die Definition dessen mit etwas Phantasie schon sehr nahe an das Thema kommt. Googelt man das Wort Anker so erhält man die folgende Bedeutung:
Unter einem Anker versteht man ein schweres eisernes, an einer Kette oder einem Tau befestigtes, meist zweiarmiges hakenartiges Gerät, das vom Schiff auf den Grund eines Gewässers hinabgelassen wird, wo es sich festhakt und dadurch das Schiff an seinem Platz festhält.
Stellt man sich nun vor, dass das hakenartige Gerät ein sinnlicher Impuls, wie z.B. eine Berührung, ein Klang, ein Bild, ein Geschmack oder ein Geruch ist und der Grund des Gewässers eine ressourcenvolle oder emotionale Erfahrung im Leben, dann sind wir genau beim Thema.
Sicher kennen Sie diese Situationen, in denen bestimmte Impulse Gefühle in ihnen hervorrufen. Das kann z.B. der Geruch frischer Pasta sein, der sie an ihren letzten Urlaub in Italien erinnert und gleichzeitig die damit verbundenen Gefühle wie Entspannung, Freude, Freiheit, oder aber auch Enttäuschung wegen eines dreckigen Hotelzimmers weckt. Genauso kann ein bestimmtes Lied beispielsweise an die erste Liebe erinnern, das Bild eines Clowns an Zirkuserlebnisse in der Kindheit, oder ein zärtliches Streicheln über den Kopf an die Warmherzigkeit der Mutter.
Die neurolinguistische Programmierung geht davon aus, dass alle Erlebnisse und Erfahrungen als sinnliche Informationen erlebt und gespeichert werden. Wenn wir uns also an ein bestimmtes Erlebnis erinnern, erinnern wir uns dementsprechend auch an alle gespeicherten und dazugehörigen Emotionen. Um diese Gefühlslagen wieder zu erleben, bedarf es jedoch meistens gar nicht der Erinnerung an die gesamte Erfahrung. Es reicht oft ein in dieser Erfahrung wahrgenommener Impuls, um die Gefühle oder Ressourcen wieder zu vergegenwärtigen. In der neurolinguistischen Programmierung nennt man diesen sinnlichen Impuls einen Anker.
Unser Gehirn hat im Laufe unseres Lebens unzählige Anker etabliert, die unserem Bewusstsein größtenteils nicht einmal zugänglich sind. Diese unbewussten Anker können unsere Gefühlswelt ganz schön beeinflussen und steuern unser Verhalten und Handeln. Scheier und Held sprechen im Zusammenhang mit der Kraft des Unbewussten von einem 40-Bits-Bewusstsein. In ihrem Buch „Wie Werbung wirkt – Erkenntnisse des Neuromarketing“ schreiben die Autoren, dass unsere Sinne uns in jeder Sekunde mit rund 11 Millionen Bits Informationen versorgen, von denen unser bewusstes Erleben jedoch nur 40 Bits verarbeiten kann. Eine Zahl oder ein Buchstabe entspricht dabei ca. 5 Bits. Das heißt, dass unser Bewusstsein pro Sekunde nicht mehr als ein Wort oder einen kurzen Satz aufnehmen kann. Die restlichen 10.999.960 Bits, also annähernd 100 Prozent an Informationen werden unbewusst verarbeitet und wirken implizit.
Welchen Einfluss schon minimale implizite Anker haben um unbewusste Verhaltensprogramme auszulösen, beweist ein Experiment in dem Probanden in einen Raum gesetzt wurden und dort ohne ihr Wissen ein Putzeimer mit einem Allzweckreiniger stand. Der im Raum entstandene Zitrusduft wurde bewusst von Niemandem wahrgenommen. Personen, die dem Duft des Allzweckreinigers ausgesetzt waren, hatten jedoch in einem Worttest signifikant mehr sauberkeitsbezogene Assoziationen als die Kontrollgruppe ohne Putzeimer und verließen außerdem den Raum ordentlicher.
In diesem Beispiel handelt es sich um einen kulturell gelernten olfaktorischen Anker, da vor allem in Deutschland Zitrusduft mit „Saubermachen“ und „Reinlichkeit“ in Verbindung gebracht wird.
NLP geht von der Annahme aus, dass man nicht nicht ankern kann. Es ist schier unmöglich im Leben keine Anker zu etablieren, da unsere 5 Sinneskanäle in jeder Sekunde unzählige Informationen aufnehmen, speichern und an Emotionen knüpfen.
Mit dem Wissen, wie Anker funktionieren werden uns jedoch ganz neue Möglichkeiten eröffnet, da wir lernen können, bewusst zu ankern und Anker zu etablieren. Mit Hilfe dieser NLP-Technik können ressourcenvolle Zustände mobilisiert werden und dabei helfen, in bestimmten Situationen seine selbstgesetzten Ziele erfolgreicher zu erreichen.
Am einfachsten zu lernen und etablieren sind kinästhetische Anker. Dabei verbindet man eine ressourcenvolle Situation mit einem Berührungsreiz und etabliert damit den Anker. Durch Betätigung des gewählten Druckpunktes kann anschließend in Situationen, in denen diese Ressource benötigt wird, darauf zugegriffen werden, ohne sich die Situation erneut vorstellen zu müssen. Wichtig bei der Etablierung ist, dass Sie sich in die ressourcenvolle Situation mit allen Sinnen hineinversetzen und den Zustand so detailliert wie möglich wahrnehmen und spüren, während sie den Druckpunkt betätigen.
Wie wäre es beispielsweise für Reden vor Publikum einen Selbstbewusstseins-Anker zu haben, welchen sie einfach bei Unsicherheit oder Zweifeln durch eine Berührung auslösen, um einen selbstbewussten Zustand zu erreichen? Wie wäre es mit einem Gelassenheits-Anker für stressvolle Situationen?
In NLP-Ausbildungen lernen Sie verschiedene Anker-Techniken kennen und üben in Coachings, diese individuell angepasst zu etablieren.